Berlin – Im Streit um den Aromastoff Piperonal hat das Oberlandesgericht München heute die Berufung der Stiftung Warentest gegen die einstweilige Verfügung zurück gewiesen. Damit ist es der Stiftung Warentest weiterhin nicht erlaubt, Aussagen zur Art der Herstellung des Aromastoffs Piperonal in der Schokolade "Ritter Sport Voll-Nuss" zu machen.
Bei einem Test von 26 Nussschokoladen, veröffentlicht in der Dezember-Ausgabe 2013 der Zeitschrift test, hatte die Stiftung Warentest die Schokolade "Ritter Sport Voll-Nuss" aufgrund der Deklaration abgewertet. Die Firma Alfred Ritter GmbH & Co KG hatte daraufhin beim Landgericht München I eine einstweilige Verfügung beantragt und erhalten. Dagegen hatte die Stiftung Warentest Berufung zum Oberlandesgericht München eingelegt, der nun nicht stattgegeben wurde.
Das Gericht begründete die Zurückweisung der Berufung damit, dass die Stiftung Warentest in ihrem Testbericht eine Tatsachenbehauptung aufgestellt habe. Sie habe aber aufgrund ihrer Recherchen nicht "nachgewiesen", sondern "geschlussfolgert", um welche Art von Piperonal es sich handele. Dies habe die Stiftung im Testbericht nicht deutlich genug kommuniziert. Das Gericht würdigte die Recherchen der Stiftung zum Herstellungsverfahren des Aromastoffs und übte allein Kritik an der redaktionellen Darstellung, die die Recherche hätte deutlicher beschreiben sollen.
Die Richterin betonte ausdrücklich, dass es in diesem Verfahren nicht um die Frage ging, ob das für die Voll-Nuss-Schokolade verwendete Piperonal ein natürlicher oder ein chemisch hergestellter Aromastoff ist.
Bislang haben die Firma Alfred Ritter und der Aromenlieferant, die Symrise AG aus Holzminden, den tatsächlichen Herstellungsprozess des Aromastoffs Piperonal in wesentlichen Punkten nicht offen gelegt. Klar ist lediglich, dass die Symrise AG den Aromastoff Piperonal nicht selbst herstellt, sondern über Dritte bezieht. Darüber, wo, von wem und wie der Stoff hergestellt wurde, wurden widersprüchliche Angaben gemacht.
Die Stiftung Warentest wird nun die Begründung des Urteils abwarten und dann über weitere Schritte entscheiden.
Sechs Fragen an Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest
Sie haben verloren, was sagen Sie dazu?
Primus: Wir sind natürlich enttäuscht und hätten uns einen anderen Ausgang gewünscht, aber in der eigentlichen Frage, ob das Piperonal natürlich oder chemisch hergestellt wurde, ist in dieser Verhandlung nicht entschieden worden. Das ist nach wie vor offen.
Haben Sie einen Fehler gemacht?
Primus: Wir und das beauftragte Prüfinstitut haben systematisch alle verfügbaren Quellen ausgewertet. Das Gericht hat allerdings moniert, dass wir den Sachverhalt zur Herkunft des Piperonal nicht transparent genug im Testbericht dargestellt hätten. Wir werden jetzt die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und sehen, welche Schlussfolgerungen daraus auch für unsere zukünftige Testberichterstattung zu ziehen sind.
Warum sind Ihnen korrekte Angaben auf der Verpackung so wichtig?
Primus: Die Angaben auf der Verpackung sind so etwas wie der Pass eines Lebensmittels. Der Verbraucher muss sich darauf verlassen können, dass auch das drin ist, was drauf steht. Das sagt nicht nur das Lebensmittelrecht. Das erwarten auch die meisten Verbraucher. Und wir sind der Anwalt der Verbraucher, nicht der der Lebensmittelindustrie.
Ist die Frage der Herkunft des Aromastoffs Piperonal denn nun gerichtlich geklärt?
Primus: Nein, sie ist nicht geklärt. In diesem einstweiligen Verfügungsverfahren fand ja gar keine umfassende Beweisaufnahme statt. Deshalb ist die für den Verbraucher wichtigste Frage in dieser Auseinandersetzung, wie das Piperonal tatsächlich hergestellt wird, noch gar nicht entschieden worden. Das könnte erst in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Wie geht es jetzt weiter?
Primus: Die Stiftung Warentest wird die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, genau analysieren und dann über weitere Schritte entscheiden.
Kann die Firma Alfred Ritter jetzt Schadensersatz fordern?
Primus: Nein. Wir befinden uns immer noch im vorläufigen Rechtsschutz. Zunächst müsste in einem Hauptsacheverfahren der tatsächliche Sachverhalt geklärt werden. Zudem müsste Ritter den tatsächlich eingetretenen Schaden substantiiert darlegen.