Berlin / Brüssel (ots) – Am 24. Januar stimmt der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments über den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission ab, für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen europaweit einheitliche Vergaberegelungen zu schaffen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warnt eindringlich vor den Folgen des Vorstoßes. "Die Umsetzung würde die Strukturen der kommunalen Wasserwirtschaft erheblich beeinträchtigen. Die kommunalwirtschaftliche Gestaltungsfreiheit der Kommunen wäre damit stark beschnitten", so VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck.
Durch die EU-Richtlinie könnten Kommunen nicht mehr frei entscheiden, wie sie die öffentliche Wasserversorgung vor Ort organisieren. Diese Leistung müsste nach den geplanten Regelungen nahezu immer durch ein aufwändiges Verfahren europaweit ausgeschrieben werden. Die bisherige bürgernahe Organisationsentscheidung der gewählten Vertreter vor Ort wird durch ein bürgerfernes in Brüssel entworfenes Entscheidungsverfahren ersetzt. Betroffen sind insbesondere in Deutschland die Stadtwerke und die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Gemeinden.
Der VKU hat zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden den deutschen EU-Parlamentariern in einem Schreiben erneut dargelegt, dass die Richtlinie die besonderen Bedingungen der vielen EU-Mitgliedstaaten nicht genügend berücksichtigen kann. "Ein einheitlich für die gesamte EU gleichermaßen geltendes Verfahren kann niemals den unterschiedlichen Bedingungen vor Ort gerecht werden", so Reck. Zudem besteht die Gefahr, dass alleine große Weltmarktführer von den europäischen Plänen profitieren. Denn nur diese verfügen über die notwendigen Mittel, die komplexen Vergabeverfahren in ihrem Sinne zu bestreiten.
Reck weiter: "Die Kontinuität der Daseinsvorsorge aus kommunaler Hand hat sich bestens bewährt und die EU-Institutionen greifen hier ohne Not in ein funktionierendes System ein. Ein Handeln auf EU-Ebene ist hier nicht nötig." Zum einen bestehen weder Rechtsunsicherheit noch Rechtsschutzlücken über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen. Zum anderen würde die Umsetzung der Richtlinie nur weitere bürokratische Belastungen schaffen.
Gerade die kommunalwirtschaftlichen Strukturen bei der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung genießen bei den Bürgern in Deutschland höchste Wertschätzung. Dies belegt eine repräsentative Umfrage, die Forsa im Auftrag des VKU durchgeführt hat. Danach sprechen sich 82 Prozent der Befragten gegen neue Vorschriften aus Brüssel aus. Vor diesem Hintergrund darf eine mögliche Richtlinie insbesondere für Dienstleistungskonzessionen in der Wasserwirtschaft nicht gelten.
Hintergrund
Die Europäische Kommission hat am 20. Dezember 2011 einen Vorschlag für eine Konzessionsrichtlinie veröffentlicht. Die geplante Richtlinie würde die Ausschreibungspflichten für Kommunen erheblich ausdehnen. Dies hätte einschneidende Auswirkungen auf die kommunalen Strukturen in Deutschland. Bereits im März 2012 hat der Bundesrat daher den Richtlinienvorschlag eindeutig abgelehnt. Die Verhandlungen zum Richtlinienvorschlag sind im EU-Ministerrat weitgehend abgeschlossen. Die Abstimmung im federführenden Binnenmarktausschuss findet am 24. Januar 2013 statt. Anschließend werden EU-Ministerrat und Europäisches Parlament Verhandlungen aufnehmen, um sich auf einen einheitlichen Richtlinientext zu verständigen. Ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bis Juli 2013 ist möglich. Danach müsste die Richtlinie noch in deutsches Recht umgesetzt werden.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt über 1.400 kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser und Abfallwirtschaft. Mit 235.000 Beschäftigten wurden 2010 Umsatzerlöse von rund 95 Milliarden Euro erwirtschaftet und etwa 8 Milliarden Euro investiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen haben im Endkundensegment einen Marktanteil von 49,1 Prozent in der Strom-, 58,4 Prozent in der Erdgas-, 77,2 Prozent in der Trinkwasser-, 60,0 Prozent in der Wärmeversorgung und 16,5 Prozent in der Abwasserentsorgung.