Wirtschaft zieht Zwischenbilanz

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Foto: rkr
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Schwerin – Die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer Schwerin ziehen eine gemeinsame Bilanz zur ersten Hälfte des Wirtschaftsjahres 2023. Eine tiefgreifende Rezession ist bisher ausgeblieben. Doch die enormen Unsicherheiten belasten die Wirtschaft auch weiterhin. In einer Pressemitteilung gaben beide folgendes bekannt:

Die Konjunkturumfragen von IHK und HWK für das Frühjahr 2023 zeigen, dass die größten Befürchtungen der Wirtschaft nicht eingetreten sind. Die jeweiligen Konjunkturindizes der beiden Kammern konnten im Vergleich zum Herbst 2022 Boden gut machen und liegen damit insgesamt wieder im tendenziell positiven Bereich.

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Eine tiefgreifende Rezession ist bisher ausgeblieben. Doch die deutlich gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe schlagen sich auf die Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsfähigkeit nieder. Belastend wirken zudem die steigenden Zinsen für das Baugewerbe und Bauhandwerk. So musste das Statistische Bundesamt nach aktualisierten Daten für das letzte Quartal 2022 und das erste Quartal 2023 eine technische Rezession melden. Für die Wirtschaft in Westmecklenburg bleibt die wirtschaftliche Lage angespannt. Besonders der anhaltende ungewisse Ausblick sorgt weiterhin für Unsicherheiten bei Planung und Investitionen.

„Die Unsicherheiten für die Unternehmen bleiben. Und auch die revidierten Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass noch nichts überstanden ist. Die Spätfolgen der Pandemie und die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, liegen wie Blei auf der wirtschaftlichen Dynamik“, konstatiert Matthias Belke, Präsident der IHK zu Schwerin. „Gerade für die unternehmerische Planungssicherheit und Investitionsbereitschaft ist das Gift.“

„Dazu hat auch die langwierige Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz sehr viel beigetragen“, ergänzt Uwe Lange, Präsident der Handwerkskammer Schwerin. „Das Handwerk braucht stabile und verlässliche Rahmenbedingungen für die eigene Betriebsplanung. Dazu gehört auch, zwar ambitionierte, aber vor allem realistische politische Ziele bei der Klima- und Energiewende zu setzen sowie die Lohnnebenkosten der Handwerksbetriebe und die Bürokratiebelastung deutlich zu senken“.

Risikolast bleibt hoch

Gesamtwirtschaftlich bleiben Unsicherheiten und Risiken hoch. Eine tiefergehende Rezession sei nach Einschätzung der Wirtschaftsvertreter nicht auszuschließen. Die geopolitischen Spannungen bleiben hoch.

Regional machen sich in einigen Branchen immer noch die Folgen der gestiegenen Kosten von Energie und Rohstoffen mit Kaufzurückhaltungen bemerkbar. Im Handwerk betrifft das vor allem das Bau- sowie das Nahrungsmittelhandwerk. Eine nachlassende Inlandsnachfrage würde auch den stark gebeutelten stationären Einzelhandel weiterzusetzen. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf das Eigenkapital der betroffenen Branchen.

„Sorgen macht uns im Handwerk vor allem der sich abzeichnende Abschwung in der Baubranche. Die öffentliche Hand muss jetzt Vorbildfunktion einnehmen. Sie darf keinesfalls Bauprojekte einfrieren oder zurückziehen, damit die Lage nicht weiter destabilisiert wird“, fordert Dr. Gunnar Pohl, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Schwerin.

Siegbert Eisenach, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin ergänzt: „Die Wirtschaft insgesamt braucht verlässliche politische Rahmenbedingungen und Planbarkeit. Denn Zuversicht und Planbarkeit sind entscheidend, um heute Investitionen, die sich morgen auszahlen müssen, zu tätigen.“

Pragmatismus muss das politische Handeln bestimmen

Die Forderungen der Wirtschaft Westmecklenburgs sind klar. Dazu gehört auch, die Bürokratie spürbar abzubauen und nicht weitere Hürden zu schaffen. Die Politik darf aus Sicht der Wirtschaft auch nicht die kleineren und mittleren Betriebe aus dem Blick verlieren. Denn sie stellen die wirtschaftlich erfolgreiche Basis des gesellschaftlichen Wohlstands dar.

„Pragmatismus statt Dogmatismus ist das Gebot der Stunde“, fordert Belke. „Schnellere Genehmigungs- und Planverfahren stehen seit Jahren auf der Agenda. Doch bisher ist der große Wurf ausgeblieben. So sehe ich auch keine Chance, dass wir als Energieland MV einen Vorteil für unsere Wirtschaft ziehen. Ganz im Gegenteil: Die Netzentgelte sind in Deutschland ungleich verteilt. Hier muss die Bundesnetzagentur endlich handeln. Das geht sonst wiederholt zu Lasten der Zukunftsfähigkeit unseres regionalen Wirtschaftsstandortes.“

„Ein in den Betrieben spürbarer Abbau von Bürokratie muss weg von der Worthülse endlich Realität werden“, so Uwe Lange. „Seit langem vom Handwerk eingebrachte konkrete Vorschläge und Entlastungsmaßnahmen müssen umgesetzt werden. Passiert ist in dieser Legislatur bislang wenig bis gar nichts. Das im Koalitionsvertrag versprochene Bürokratieentlastungsgesetz muss jetzt endlich kommen. Und es muss seinen Namen tatsächlich verdienen.“

Arbeitskräfte auch in bewegten Zeiten gebraucht

Der Start des neuen Ausbildungsjahres steht unmittelbar bevor. Die bereits geschlossenen Ausbildungsverträge in Handwerk, Industrie, Dienstleistungen und Handel liegen im Durchschnitt der vergangenen Jahre oder sogar etwas höher. Dennoch sind weiterhin viele attraktive Ausbildungsangebote in der Region offen. Die regionale Wirtschaft bietet vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten und langfristige Perspektiven, um in Westmecklenburg eine aussichtsreiche Karriere zu starten. Die Ausbildung ist und bleibt ein wichtiger Anker für die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften.

„Unsere IHK-Ausbildungskampagne #JetztKönnenLernen zeigt, dass unsere Unternehmen für jede Schülerin und jeden Schüler passende Angebote parat haben. Auch mit Blick auf die sprichwörtliche letzte Minute stehen unsere Mitarbeitenden gern zur Verfügung, damit dem sorgenfreien Ferienstart mit einem dann unterschriebenen Berufsausbildungsvertrag nichts im Wege steht!“, unterstreicht Eisenach.

„Viele unserer Ausbildungsbetriebe im Handwerk suchen jetzt noch Azubis und bieten attraktive Lehrstellen und Konditionen. Sehr wichtige und erfüllende Aufgaben warten vor allem in den Gewerken, die die Energiewende gestalten sollen. Wer sich zum Beispiel aktiv für den Klimaschutz einsetzen will, findet im Handwerk den besten Platz dafür“, so Pohl. Auch die Perspektiven nach der Ausbildung seien sehr gut. In kaum einem anderen Wirtschaftsbereich sei der Aufstieg in die Unternehmensführung so schnell möglich wie im Handwerk.

Gemeinsam fordern die Spitzen von Industrie- und Handelskammer und Handwerkskammer Schwerin ein vorausschauendes, an der unternehmerischen Realität orientiertes Handeln der politisch Verantwortlichen in Bund und Land. Wohlstand und gute Lebensbedingungen für eine breite Bevölkerung sei nur mit einer gesunden wirtschaftlichen Basis zu leisten.