Schwerin – Ihre erste umfassende Werkschau im Schleswig-Holstein-Haus hat Ruth Tesmar unter den poetischen Titel „In Samtlanden“ gestellt. Angeregt durch Ingeborg Bachmann steht der Titel als Synonym für die norddeutsche Landschaft und ihre eigne Ankunft darin.
Seit 2011 lebt die Künstlerin (1951 in Potsdam geboren) in Schwerin und setzt hier das wesentlich durch Literatur, Musik und Philosophie geprägte facettenreiche bildnerische Schaffen fort.
Ihre faszinierenden Malereien, grafischen Blätter, Collagen, Assemblagen, Kalligraphien und Objekte sind zumeist entstanden im kreativen Diskurs mit wahlverwandten Autoren, mit Künstlern und Wissenschaftlern, denen sie sich eigenwillig nähert. Auf überraschende Weise öffnet sie das “dritte Auge“ des Betrachters, richtet den Blick magisch nach innen, auf Herz und Geist ihrer Protagonisten und findet dabei zu zauberischen Bildlösungen.
Die wiederholte Auseinandersetzung mit Else Lasker-Schüler, Arthur Rimbaud, Gertrud Kolmar, Paul Celan, Georg Trakl, Helga Nowak spiegeln exzellente druckgrafische Folgen wider und lassen eine Sympathie zum poetischen Expressionismus erkennen.
Wie sehr die Künstlerin das grafische Spektrum beherrscht, das ist zeitgleich in der Gartenremise des Schleswig-Holstein-Hauses zu sehen. In der von dem Künstlerpaar Ruth und Lutz Tesmar dort eingerichteten Druckwerkstatt kann der Ausstellungsbesucher alte und neue druckgrafische Techniken praktisch erleben.
Ihr Wissen über Hoch-und Tiefdruck, über alle Formen grafischen Gestaltens hat Ruth Tesmar, die von 1993 bis 2016 als Professorin für Künstlerisch-Ästhetische Praxis an der Humboldt-Universität Berlin tätig war, mit Leidenschaft vermittelt. Studenten aus aller Welt und unterschiedlicher Fakultäten verdanken ihr als Universitätszeichenlehrerin und Leiterin im „Menzel-Dach“ wesentliche Grundkenntnisse künstlerischer Arbeit.
Einen Schwerpunkt der vielgestaltigen Schweriner Ausstellung bilden die zahlreichen Brieffolgen, jene fiktiven Briefe mit geheimnisvoller Aura, die die Künstlerin auf ihre Weise z. B. an Dante Alighieri, Alexander von Humboldt, Heinrich Heine, Gottfried Wilhelm Leibniz, Johann Sebastian Bach oder Martin Luther schrieb.
Diese Briefkunst ist ein wesentlicher Teil des Gesamtschaffens, ist kalligrafische Kostbarkeit, ist phantastisches Zeichenwerk auf Buch- und Bildseiten. Besonders mit den handgeschriebenen Nachrichten an die großen Geister der Vergangenheit, jene geisterhaften Korrespondenzen von besonderem ästhetischen Reiz, unvergleichlich in Erfindung, Schrift, Gestalt, Farbigkeit, bewahrt die Schreiberin Gedankenbilder voller Ernsthaftigkeit und Schönheit über die Gegenwart hinaus.
Ruth Tesmars Ausstellungen machten sie im In- und Ausland bekannt, ihre buchkünstlerischen Arbeiten wurden mit vielen Preisen geehrt, ihre Werke sind Museen und private Sammlungen vertreten.
Die Ausstellung ist vom 28. April bis 10. Juni von dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr im Schleswig-Holstein-Haus in der Puschkinstraße 12 in Schwerin zu sehen. Der Eintritt beträgt 6, ermäßigt 4 Euro. Die Eröffnung finde am Freitag, den 27. April um 18 Uhr im Schleswig-Holstein-Haus statt.
Die Ausstellung wurde gefördert von der Stiftung Sparkasse Schwerin-Mecklenburg.