Schwerin – Dieser Tage seid ihr auf Tour, und im Gepäck habt ihr das zweite Nummer-Eins-Album in Folge – Gratulation! Dabei wart ihr ja schon eine ganze Weile dabei, als es dann relativ plötzlich so richtig steil nach oben ging…
Freddy März (FM): Also eigentlich empfinde ich das gar nicht als so plötzlich. Zwischen den Echo-Nominierungen liegt ja jeweils ein Jahr, zwei Jahre sind’s in der Regel zwischen den Alben… und wenn man das alles so durchrechnet, dann hat sich das schon ganz schön gezogen.
Ihr macht aber ja auch schon seit 19 Jahren gemeinsame Sache.
Martin Marcell (MM): Das stimmt, 19 Jahre sind’s im August.
Richtig durchgestartet seid ihr Ende des letzten Jahrzehnts, so ab dem Album „Land in Sicht“. Was für ein passender Titel!
FM: Ja, stimmt. Das lag aber, glaube ich, auch nur an dem schönen Cover, das wir da hatten. Das Foto haben wir auf Mallorca gemacht in Eiseskälte, und die Leute haben das dann wohl aus Mitleid gekauft (lacht).
Erzählt doch mal von den Jahren davor. Was war das Problem?
FM: Es hatte da einfach viele Leute gegeben, die uns irgendwie formen wollten. Leute, die immer alles besser wussten, die immer meinten, wir müssten Titel singen, die andere schreiben – weil wir „können’s ja nicht“. Aber wir haben einfach nie aufgegeben. Wir haben an uns geglaubt und auch daran, dass wir selbst schreiben und schöne Geschichten erzählen können. Uns war wichtig, dass wir 100% authentisch sind, und als wir angefangen haben, so zu schreiben und einfach so sein zu wollen, seitdem funktionierte das auch.
Sie hatten euch also gewissermaßen im Weg gestanden?
FM: Ja, ich finde, wenn ein Künstler Künstler sein will, dann sollte man ihn auch Künstler sein lassen – und nicht versuchen, irgendein Kunstwerk zu erschaffen. Und ja, ich glaube, wenn man das nicht immer wieder mit uns versucht hätte, hätte es schon viel früher funktionieren können.
Ist das die zentrale Lektion, die ihr seit 1997 gelernt habt?
FM: Genau, wir funktionieren wohl nur dann, wenn man uns wirklich so sein lässt, wie wir sind und das machen lässt, von dem wir denken, dass es richtig ist.
MM: Wir machen schließlich Musik aus Leidenschaft, und in den ersten Jahren hat man uns genau diese Leidenschaft weggenommen. Es wurde versucht, uns musikalisch umzukrempeln. Nach ein paar Jahren wollten sie uns dann sogar einen anderen Namen aufschwatzen.
Ach, wirklich?
MM: Ja, Fantasy sei schließlich kein Begriff für eine Band – es könnte sich ja um alles Mögliche handeln.
FM: Und: „Englisch geht gar nicht!“ Aber selbst da haben wir uns nicht beirren lassen. Wir wollen doch nicht mit dem Namen die Leute überzeugen, sondern mit dem, was wir machen: mit unserer Musik.
Und ihr lagt damit ja auch richtig.
FM: Davor haben wir uns lange Zeit gesucht. Wir haben früher sogar auf Mallorca gesungen – am Ballermann – das war überhaupt nicht unser Ding. Und im Endeffekt haben sich die Jahre dann wohl doch gelohnt.
Unbedingt sogar.
MM: Andersherum muss man natürlich bedenken, und das hat eine Zeitung auch mal geschrieben: „Die sind an keiner Kneipe vorbeigegangen.“ Wir haben früher auch in Kneipen gesungen, da waren vielleicht gerade mal drei Gäste anwesend.
FM: Man sagt uns ja auch immer wieder nach, dass wir unwahrscheinlich gut entertainen können. Das gibt’s ja heute kaum noch. Aber wir mussten die Leute in den Kneipen damals natürlich auch unterhalten…
Die Leute am Tresen erst mal wach machen.
FM: Genau, und diese Erfahrung ist heute unser Vorteil. Wir haben viel parodiert, von Roy Black bis Karel Gott, von Modern Talking bis Louis Armstrong. Das ist so viel in den ersten Jahren gewesen, dass unsere aktuellen Shows schon deshalb jedes Mal anders sind.
Wie sahen denn eigentlich eure ersten Shows aus, im Jahr 1997?
MM: Verrückt!
FM: Wir hatten da sogar zwei Mädels, die haben getanzt hinter uns! Wir hatten lange Haare, genau wie Modern Talking. Dann kamen die Lacklederhosen, das Leoparden-Outfit mit Cowboy-Hut! Wir haben immer das gemacht, worauf wir Lust hatten, bis wir uns dann so wirklich gefunden haben. Das war mit dem Song „Geh mit ihm“. Das war quasi der Startschuss für den jetzigen Fantasy-Sound.
Was meint ihr: Was hätte ein Dieter Bohlen damals zu eurer Show gesagt?
MM: In Sachen Show waren wir damals noch nicht ganz so organisiert. Eigentlich waren wir zwei Solisten und haben uns erst in den Jahren danach aufeinander eingespielt. Heute brauche ich nur die Augenbrauen zu heben, und da weiß der Freddy sofort, was ich meine. Früher war das alles noch ein bisschen wilder.
Und wie sahen die Aufnahmen zum aktuellen Album mit Dieter aus? Eher lustig?
FM: Nein, das war nicht lustig. Es war einfach cool. Lustig wäre auch doof bei uns, weil wenn man mit uns lustig sein will, dann kommt man zu nichts. Wir beide können nämlich echt unglaublich und auch lange lustig sein. Wir haben uns also wirklich aufs Album konzentriert. Dieter hat sich immer gefreut, wenn ein Song toll eingesungen war. Später kam eine SMS, als das Album dann fertig war: „Ich drücke euch total die Daumen, ich bin megastolz auf das Album!“
Habt ihr also etwas gelernt von ihm?
FM: Ja, schon: ein bisschen disziplinierter zu sein. Wir haben sonst immer viel mehr Zeit gebraucht.
MM: Trotzdem ist unser Sound ja so geblieben, und das war uns auch extrem wichtig. Wir machen jetzt nicht 7-8 Alben vorher und kommen dann plötzlich zum Dieter Bohlen und klingen auf einmal ganz anders.
Sind eure aktuellen Live-Shows auch so ein Mix aus ganz unterschiedlichen Sounds, wie auf dem Album? Oder setzt ihr da noch mehr auf Party?
FM: Die Party kommt ganz automatisch. Wir haben ja z.B. fast immer Sitzplätze, aber die Leute wollen gar nicht sitzen! Eigentlich stehen die nonstop. Die Fans lieben das einfach, und die machen alleine Party. Es ist aber keine Ballermann-Party, sondern eine Party – nun, ich sag mal: mit Niveau.
MM: Und wir nehmen da auch schon mal einen neuen Mix mit rein ins Programm, der anders klingt als auf dem Album.
Was den Entertainmentfaktor angeht, sind da die Parodien das zentrale Element?
FM: Ja, das machen wir oft, und das Publikum wird immer involviert in die Show.
MM: Vieles ist bei uns auch spontan, muss man dazu wissen. Es gibt höchstens Eckpunkte für die Show, aber wir wissen nie genau, was wir sagen werden.
FM: Früher wurde uns z.B. auch oft geraten, die Sprüche schreiben zu lassen, die Moderationen. Aber das haben wir nie gemacht und das wollen wir auch nicht, weil ich einfach keine Lust darauf habe, jeden Abend dasselbe runterzurasseln. Das wäre auch nicht authentisch. Wir machen viel aus der Situation heraus, was dann manchmal sogar ungewollt komisch wird. Und selbst die Sprüche, die wir öfter bringen, sind jedes Mal anders gestrickt.
Ist eure Fangemeinde, abgesehen von der Größe, heute anders als früher?
FM: Als wir selbst so 25 waren, hatten wir Leute von 25 bis 45 im Publikum. Und jetzt hast du einerseits Leute, die sind 80, 85, und dann auch Kinder, die sind 5, 6, 7 – und schon die sind absolute Fantasy-Fans. Die kennen jeden Song. Das ist wohl durch „Rio“ passiert, weil sich viele wohl die DVD von „Rio“ angesehen haben. Aber zurück zur Frage: Das ist inzwischen total bunt gemischt.
MM: Schlager ist natürlich mittlerweile wieder so salonfähig geworden, dass wir kürzlich sechs junge Mädchen im Publikum hatten, die Fantasy-T-Shirts getragen haben – und die waren 18 Jahre alt oder so. Sonst hätten die eher Rapper gehört, Eminem & Co.
Apropos Jugendidole: Wer von euch beiden war denn nun der größere Modern-Talking-Fan
MM: Er!
FM: Ja.
MM: Der sah auch so aus.
FM: Ich hatte damals wirklich total lange Haare.
Wie Thomas Anders… auch mit Namenskette?
FM: Nein, das nicht. Aber ich fand seine Optik, als ich die das erste Mal im TV gesehen habe, total beeindruckend. Ich wusste echt nicht, ob das jetzt ein Junge oder ein Mädchen war. Und dann diese hohe Stimme. Als junger Mensch eifert man ja immer irgendeinem Idol hinterher, und bei mir war’s halt Thomas Anders. Ich fand den ganz toll. Ich hab mir sogar Lipgloss gekauft! Und Make-up!
Ein echter Fan.
FM: Ja, andere wollten aussehen wie Billy Idol, ich wollt’ aussehen wie der.
Habt ihr darüber mit Dieter gesprochen, als ihr im Studio wart?
FM: Ja, der war total verdutzt, dass ich alles über die wusste. Selbst die Lieder, die er davor gemacht hat, die ganzen anderen Gruppennamen. „Du bist doch nicht ganz normal“, meinte Dieter nur zu mir. „Das kann doch nicht sein, dass du die ganzen Sachen da weißt!“
Ihr verbringt allein auf Tour 250 Tage im Jahr zusammen, dazu noch Studiozeit und anderes: Heißt es deshalb eher „Füße hoch“, wenn ihr mal frei habt?
MM: Da nehmen wir uns schon viel Zeit für Freunde und Familie.
FM: Wir genießen es, dann mal ganz normale Dinge zu tun: Grillen, Schach spielen, faul vorm Fernseher sitzen. Oder irgendwas renovieren.
MM: Auch die Gespräche sind dann ganz andere: Zu Hause fällt ganz selten das Wort „Musik“. Auch „Auftritt“ und „Vorbereitung“ hörst du da nicht.
Stimmt es, Martin, dass du Hobbygärtner bist?
MM: Na ja…
FM: Der Mörder ist immer der Gärtner!
MM: Ich genieße das einfach als Ausgleich: Wenn ich nach Hause komme, die Sonne scheint, einfach mal den Rasen mähen, die Hecken schneiden. Da kann ich schön abschalten.
Und du, Freddy, bist eher so der Trödelmarkt-Schnäppchenjäger.
FM: Ja, ich liebe Flohmärkte total. Wobei ich neuerdings auch gerne zu Versteigerungen gehe. Weil auch da kaufst du immer Sachen, die du eigentlich gar nicht brauchst. Das ist bei mir auf dem Flohmarkt auch so: Alles, was so silbern schimmert…
Das wäre meine nächste Frage gewesen: Was genau fasziniert dich so an verchromten Gegenständen?
FM: Ich weiß nicht, es zieht mich einfach an. Ich bin wie so eine Elster. Nur dass ich dafür bezahle.
Die zahlende Elster.
FM: Und dann freut man sich zuerst total, aber nach 3-4 Tagen sieht man ein: „Eigentlich brauche ich das doch gar nicht.“ Dann kommt’s in den Keller. Und mittlerweile sammeln sich die Sachen sogar schon bei meiner Mutter in Kroatien.
Theaterbesuche sind auch so eine Leidenschaft neben der Musik, oder?
FM: Ja, das stimmt, und Mensch, ich hab das Gefühl, ich werde alt! Weil ich so Sachen mache mittlerweile, die ich mir früher nie denken konnte. Aber Theater macht mir inzwischen echt Spaß.
Eher lustige Stücke also?
FM: Ja, eher lustig, und ich mag auch Musicals.
Wenn man nun den Entertainmentfaktor eurer Show und diese Liebe zum Theater zusammennimmt: Schon mal an die Schauspielerei gedacht?
FM: Ja, früher, als Kind! Also als Siebenjähriger wollte ich erst mal Sänger werden, dann habe ich gesungen, bis ich 12 war, und dann habe ich „Silas“ gesehen mit Patrick Bach. Danach wurden über die BRAVO andere Kinderschauspieler gesucht, und da habe ich mich tatsächlich beworben. Aber dann kam irgendwann die Absage per Post – war’n Kugelschreiber drin als Trostpflaster. Aber dann kam ja Modern Talking, und damit bin ich ja wieder bei der Musik gelandet.
MM: Apropos Schauspielerei, und was wir wirklich noch nie erzählt haben in einem Interview: Irgendwann rief mich der Freddy an und erzählte mir, dass sie in Essen Statisten für den Film „Die Sturmflut“ suchten. Ich bin dann aus Berlin extra dahin, weil wir unbedingt mitmachen wollten, und wir haben dann zwei Tage hintereinander in so einem kalten Zelt gesessen, 14 Stunden, und im Endeffekt hat man uns, glaube ich, zwei Sekunden im Film gesehen!
FM: Das war so kalt!
MM: Das war unsere gesamte Schauspielkarriere!
FM: Ist schon zehn Jahre her.
MM: Wobei, wenn man uns heute auf der Bühne sieht: Mittlerweile sind wir schon Schauspieler und Musiker.
FM: Ja, ich fand das ja überhaupt schön, dass es früher so viele gute Unterhaltungsshows gab. Und dass die Schlagersänger damals meistens auch Filme gedreht haben. Das würde ich mir wünschen.
MM: Eigentlich ist es ja unser größter Wunsch, mal einen Samstagabend zu machen. Richtig mit Unterhaltung, mit Entertainment, mit Gästen. Wenn wir das noch schaffen, dann haben wir alles erreicht.
Gibt’s denn vor dem 20-jährigen Jubiläum im nächsten Jahr noch etwas, das ihr ankündigen könnt neben der Tour?
FM: Ja, wir fangen gerade mit der Arbeit an unserer neuen DVD an. Die soll noch in diesem Jahr erscheinen. Wir wollen den Leuten wirklich die Möglichkeit geben, mal so richtig hinter die Kulissen zu schauen. Und da wird auch nichts geschönt, sondern so gezeigt, wie’s ist: Die Aufnahmen müssen nicht geschönt werden, weil: die sind schön.
Das kann ich bestätigen! Vielen Dank für das Gespräch!