Rostock – Seit mehreren Wochen steht die Wurfhöhle von Eisbärin Vilma unter besonderer Beobachtung. Die zwölf Jahre alte Eisbärin hatte sich schon seit längerem zurückgezogen und die Anzeichen deuteten hoffnungsvoll auf ein Ende der jungtierlosen Zeit auf der Bärenburg hin. Dementsprechend groß war die Freude bei den Zoomitarbeitern bei der Videoauswertung Anfang Dezember. Am Mittwoch, dem 3. Dezember 2014, brachte Vilma an ihrem eigenen Geburtstag gegen 18:57 Uhr ein gesundes Jungtier zur Welt. Die letzte Eisbärengeburt in Rostock geht auf das Jahr 2004 zurück. Da wurden die Zwillinge Venus und Valeska geboren, die Eltern waren Vienna und Churchill.
„Unser Baby ist augenscheinlich gesund und legt bereits sichtbar an Gewicht zu“, freute sich Kuratorin Antje Zimmermann über die Geburt und die Entwicklung der ersten Tage. Zum Geschlecht des offensichtlich quietschfidelen Eisbärenbabys können noch keine Aussagen getroffen werden. „Das Jungtier wird etwa drei Monate im Schutz der Wochenstube heranwachsen. Erst nach ca. sechs Wochen wird eine erste Kontrolle durch die Stammtierpfleger stattfinden“, erläuterte die Kuratorin. „Wir werden jeden unnötigen Stress, den beispielsweise ein Tierarztbesuch auslösen würde, für Mutter und Jungtier vermeiden.“
Für das jüngste Glück auf der Rostocker Bärenburg ist Eisbärenmann Lars (21) verantwortlich, der Vater vom berühmten Berliner Eisbären Knut (2006-11).Für Vilma ist es das zweite Kind und auch das zweite mit Lars. Vor zwei Jahren hatte sie Tochter Anori im Zoo Wuppertal das Leben geschenkt. Während Vilma, ein Sprössling von Vienna und Churchill, eine „echte“ Rostockerin ist (3.12.2002), stammt Lars aus dem Tierpark Hellabrunn in München (12.12.1993).
Aufzucht ist Chefsache der Mutter
Die ersten Wochen und Monate sind grundsätzlich kritisch für Jungtiere anzusehen. Das Gewicht bei der Geburt beträgt ca. 450 bis 850 Gramm. Die Eisbärenbabys kommen fast nackt bzw. sehr schwach behaart auf die Welt, aber schon nach drei bis fünf Tagen setzt die Fellbildung ein. Die Gehörgänge öffnen sich zwischen dem 18. und 26., die Augen zwischen dem 21. bis 34. Lebenstag. Die Zahnbildung beginnt zwischen der 4. und 6. Woche. Bis zu den ersten tapsigen Gehversuchen müssen die Tierpfleger auch noch ein wenig warten. Das dauert gut anderthalb bis zwei Monate. „In Abhängigkeit von der Entwicklung des Jungtieres und vom Wetter erwarten wir die stolze Mutti im März erstmals auf der Außenanlage. Erst dann soll unser Mini-Eisbär, das insgesamt 35. Jungtier auf der Bärenburg, auch getauft werden“, so Antje Zimmermann
Bis dahin wird der Zoo Rostock auf mehreren Bildschirmen über den Zoo verteilt Aufnahmen aus der Wurfhöhle von Vilma zeigen, die laufend aktualisiert werden. „Somit können auch die Rostocker die ersten Lebensmonate unseres Eisbärenbabys mitverfolgen.“
Eisbären sind Einzelgänger und kommen nur zur Paarungszeit zusammen. Nur die Mutter ist für die Aufzucht der Jungtiere verantwortlich. In der freien Natur stellen die männlichen Tiere sogar eine Gefahr für den Nachwuchs dar. In der Wildnis bleiben die Mutter und ihr Nachwuchs in der Regel zweieinhalb Jahre zusammen. In dieser Zeit lernen die jungen Eisbären in der Wildnis das Überleben und Jagen. Die sehr nahrhafte, fette und eiweißreiche Milch bekommen die Jungtiere bis maximal zwei Jahre. Aber bereits nach zwei bis drei Monaten zeigen die Kleinen Interesse an der festen Nahrung der Mutter.
Erfahrungen international gefragt
Für den Rostocker Zoo hat die Eisbärenhaltung eine lange und erfolgreiche Geschichte. Seit 1956 leben Eisbären im Rostocker Zoo. Am 17. Dezember 1963 wurden die ersten beiden Eisbären als Zwillingspärchen geboren. In Rostock sind insgesamt 34 Eisbärenjungtiere aufgezogen worden, darunter eine Handaufzucht. Diese Haltungserfolge waren der Anlass dafür, dass der Zoo 1980 mit der Führung des Internationalen Eisbärenzuchtbuches beauftragt wurde. Die Rostocker Erfahrungen sind auch maßgeblich in die Haltungsempfehlungen für Bären eingeflossen, die von der „Arbeitsgruppe Bären“ des Europäischen Zooverbandes erstellt wurden und entsprechend des neuesten Wissensstandes immer wieder aktualisiert werden. In Zoologischen Gärten werden die vom Aussterben bedrohten Eisbären teilweise weit über 30 Jahre alt, in der Arktis dagegen bis zu 25 Jahre.
Im Internationalen Zuchtbuch werden zurzeit Daten von 332 Eisbären in 136 zoologischen Einrichtungen weltweit gesammelt (Stand: 31.12.2013). Im Europäischen Zuchtbuch sind Daten von 115 Eisbären in 45 zoologischen Einrichtungen gelistet (Stand: 31.12.2013). Beide Zuchtbücher werden im Rahmen der Mitgliedschaften in der Europäischen Vereinigung der Zoos und Aquarien (EAZA) und im Weltverband der Zoos und Aquarien (WAZA) geführt. Die EAZA ist auch für die Europäischen Erhaltungszuchtprogramme (EEP) der Zoos und Wildparks verantwortlich.
Schon bald wird das Wappentier des Rostocker Zoos zusammen mit den Pinguinen ein neues Zuhause erhalten. Mit dem Bau des POLARIUM, der neuen Heimstätte der Eisbären und Pinguine, soll die alte Bärenburg weichen und nach dem DARWINEUM ein zweites modernes Besucher- und Bildungszentrum im Zoo Rostock entstehen.
Gegenwärtig leben vier Eisbären im Rostocker Zoo, die für die Dauer des Neubaus in andere Einrichtungen abgegeben werden müssen. Neben dem Elternpaar Vilma und Lars mit ihrem noch hinter den Kulissen lebenden Jungtier können die Zoobesucher auch noch die „Seniorin“ Vienna (26) beobachten, die langjährige Partnerin von Churchill (1979-2013) und Mutter seiner sechs Kinder Victoria (1996), Victor (1998), Vitus (2000), Vilma (2002), sowie Venus und Valeska (2004).
Übrigens: Noch bis zum Ende des Jahres gewährt der Zoo auf alle Eintrittskarten 50 Prozent Rabatt.