- Anzeige -

Sexueller Missbrauch in Psychiatrie: Opfer brechen ihr Schweigen

- Anzeige -

Düsseldorf (ots) – In der Kinder- und Jugendpsychiatrie St. Johannesstift in Marsberg gab es in den 50er und 60er Jahren massive sexuelle Übergriffe durch Pfleger und Nonnen. Das berichten Betroffene nach Jahrzehnten des Schweigens im WDR-Politikmagazin Westpol (WDR Fernsehen, Sonntag, 24.3., 19.30 Uhr).

Einer der Patienten beschreibt in der morgigen Sendung, wie ihn eine Schwester der Vincentinerinnen 1964 im Alter von 13 Jahren mehrfach in ihr Zimmer beordert habe. Dort habe er sich ausziehen müssen, die Schwester habe sexuelle Handlungen an ihm vorgenommen. Ein weiterer damaliger Patient schildert, von Nonnen immer wieder extensiv im Genitalbereich gewaschen worden zu sein.

Die Schilderungen ergänzen Berichte von Ehemaligen zu massiven Übergriffen im St. Johannesstift und an weiteren Kinder- und Jugendpsychiatrien, über die Westpol in den letzten Wochen berichtet hat. Zahlreiche Betroffene geben an, in den Einrichtungen bis in die 70er Jahre geschlagen und mit Medikamenten ruhig gestellt worden zu sein. Sie seien mit eiskalten Bädern gequält und in Einzelzellen gesperrt worden. Berichte dieser Art kommen von ehemaligen Patienten aus Kinder- und Jugendpsychiatrien in Marsberg, Bad Oeynhausen und Schleswig.

Experten halten die Schilderungen für glaubwürdig. "Das sind Einrichtungen, in denen Menschen über 24 Stunden des Tages einer Fremdbestimmung unterworfen sind, und auch keine Möglichkeit haben, über das, was ihnen dort geschieht, nach außen zu berichten, sich zu beschweren, jemanden zu finden, der ihnen zuhört. Wenn sie versuchen, innerhalb der Institution sich dagegen zu wehren, dann werden sie für diese Gegenwehr noch bestraft", sagt der Sozialpädagoge und Psychotherapeut Manfred Kappeler.

Von der Westpol-Redaktion mit den Vorwürfen der Psychiatrieopfer konfrontiert, zeigt sich die Generaloberin der Vincentinerinnen, Schwester M. Cäcilie Müller, tief betroffenen: "Das löst in mir unendliche Betroffenheit aus und auch ein Stückchen Beschämung, wenn ich sagen muss, dass Schwestern meiner Gemeinschaft mitgewirkt haben diesbezüglich und ich möchte mich auch im Namen dieser Mitschwestern, die leider nicht mehr leben, aufrichtig entschuldigen für das ihnen zugefügte Leid." Mit Betroffenen, die sich an die Vincentinerinnen wenden, möchte die Generaloberin Gespräche führen, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. Bis 1980 waren die Nonnen im St. Johannesstift in Marsberg für Pflege und Versorgung zuständig.

Auch der Träger der Einrichtung in Marsberg, der Landschaftsverband Westfalen Lippe, hat nach den Westpol-Recherchen nun erste Konsequenzen gezogen. Der Verband lädt Betroffene zu Gesprächen ein. Meinolf Noecker, der Krankenhausdezernent des LWL sagt: "Wir stehen am Anfang der Analysen, aber die Aussagen, die uns bis jetzt vorliegen haben für mich einfach eine so hohe Glaubwürdigkeit, dass ich auch jetzt schon heute an diesem Tage diese Entschuldigung, dieses Mitgefühl, diese Anteilnahme, diesen Respekt vor dem erlittenen Schicksal ausdrücken kann und wir die Verantwortung dafür auch übernehmen. Und insofern bitten wir tatsächlich und nachhaltig und aus tiefem Herzen heraus die Betroffenen um Entschuldigung."

Bislang haben Menschen, die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen geworden sind kein Anrecht auf Entschädigung. Sie sind als Opfergruppe beim Runden Tisch "Heimerziehung" ausgespart worden. In einer Petition an den Bundestag fordern sie, dass ihr Leid nun aufgearbeitet wird. Und sie wollen Entschädigung. Es wurde kein Text zu diesem Artikel eingetregen.

- Anzeige -
- Advertisement -
Die mobile Version verlassen