Schwerin – Der Wolf ist zurück in Deutschland. Vor 15 Jahren kamen in Sachsen die ersten Wolfswelpen zur Welt, deren Eltern aus Osteuropa eingewandert waren. Aktuell gibt es bundesweit 35 Wolfsfamilien (31 Rudel und vier Paare) in den Ländern Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Über 150 Jahre nach seiner Ausrottung hat der Wolf in Deutschland selbstständig wieder eine Heimat gefunden.
„Wir sprechen beim Wolf über eine gelungene Rückkehr aus eigenem Antrieb. Er ist wieder da und es werden mehr Tiere. Ein Beleg dafür, was Schutzmaßnahmen wie das Jagdverbot und eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz erreichen können. Im Jahr 15 der Rückkehr des Wolfes geht es nun darum, das Zusammenleben von Mensch und Wolf so zu gestalten, dass eine Nachbarschaft auf Dauer möglich wird. Der NABU nimmt die berechtigten Sorgen der Menschen in den Wolfsgebieten seit Langem sehr ernst, indem er sachlich informiert und mit allen Betroffenen Gespräche führt. Für Panikmache und Hysterie gibt es aber keinen Anlass, denn die auftretenden Konflikte sind lösbar. Wir müssen dem Wolf eine Chance geben und gleichzeitig den Umgang mit Wildtieren wieder lernen“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Der Wolf genießt in Deutschland seit der Wiedervereinigung und in Europa seit 1992 den höchsten Schutzstatus.
Der NABU spricht sich für die Einrichtung eines bundesweiten Kompetenzzentrums Wolf aus. „Wir brauchen eine Koordinierungsstelle, in der Erfahrungen und Daten, die bundesweit im Wolfsmanagement gemacht oder erhoben werden, gebündelt, analysiert und zentral zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören die Bereiche Monitoring, Öffentlichkeitsarbeit, Herdenschutz und Grundlagen- sowie Ursachenforschung für nicht natürliche Todesfälle bei Wölfen“, so Tschimpke weiter. Solch eine Stelle ermögliche den Überblick über die aktuelle Situation sowie den Erfahrungsaustausch zwischen Bundesländern über den Umgang mit dem Wildtier. Vorreiter eines vorbildlichen Wolfsmanagements sei derzeit Sachsen.
Illegale Wolfstötungen stellen nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen für Wölfe dar. Solche Straftaten müssen von spezialisierten Kriminalisten verfolgt werden. Nach dem Vorbild Sachsens und Brandenburgs oder verschiedener europäischer Länder sollte in jedem Bundesland eine Stabsstelle für Artenschutzkriminalität existieren. Auch müssten Schutzmaßnahmen für Nutztiere gefördert werden, damit Konflikte zwischen Wölfen und Nutztierhaltern auf ein Minimum reduziert werden. Unter diesen Voraussetzungen und einhergehend mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit, wie sie durch den NABU bundesweit betrieben wird, stehen die Chancen für ein konflitkarmes Miteinander von Mensch und Wolf im Jahr 2030 günstig.
Zu den Berichten über Wolfssichtungen in der Nähe von Wohngebieten erläutert NABU-Wolfsexperte Markus Bathen: „Wölfe brauchen keine Wildnis und leben mit uns in der Kulturlandschaft. Daher ist eine Wolfs-Sichtung in der Nähe von Siedlungen an sich nichts Ungewöhnliches. Insbesondere Jungtiere sind häufig neugieriger und unbedarfter als die erwachsenen Wölfe. Hierbei gilt: Von gesunden Wölfen geht in der Regel keine Gefahr aus. Jedoch kann es durch äußere Einflüsse vorkommen, dass sich das Verhalten eines Wolfes so verändert, dass es notwendig wird, seine Scheu zu reaktivieren.“ Schon seit 2007 liegt ein Leitfaden des Bundesamtes für Naturschutz für den Umgang mit auffälligen Wölfen vor. Bathen: „Entscheidend ist, im Einzelfall die angemessene Maßnahme auszuwählen.“
Mit Blick auf seine vor zehn Jahren gestartete Kampagne „Willkommen Wolf!“ zog der NABU eine positive Bilanz seiner Arbeit: Inzwischen ist ein Netzwerk von über 500 NABU-Wolfsbotschaftern etabliert, die lokal über das Wildtier Wolf informieren. Mehr als 85.000 Wolfsfans erreicht der NABU über soziale Netzwerke, über 2.000 Wolfspaten fördern die Wolfsprojekte des NABU. Die Forschung zu frei lebenden Wölfen hat in den vergangenen 30 Jahren viele neue Erkenntnisse zu Tage gebracht, die der NABU nun weitergibt. So weiß man heute beispielsweise, dass es in europäischen frei lebenden Wolfsrudeln keine Alpha- und Omega-Tiere gibt. Dieses Phänomen tritt nur in Tiergehegen auf, in denen die Wölfe auch nach Erreichen der Geschlechtsreife im Rudel bleiben müssen, statt abzuwandern.
Thomas Steg, Generalbevollmächtigter und Leiter Außen- und Regierungsbeziehungen Volkswagen: „Als Wolfsburger haben wir natürlich ein Herz für Wölfe, aber auch genug Verstand, unser Engagement für den Artenschutz nicht mit purer Wolfsromantik zu verwechseln. Die Rückkehr der Wölfe in unser dicht besiedeltes Land erfordert ein umfassendes Wolfsmanagement, das die berechtigten Schutz- und Sicherheitsbedürfnisse aller – vor allem auch der Nutztierhalter – berücksichtigt.“