Schwerin – Ein Journalist fragt die 8 jährige Nour in der Notunterkunft, was sie sich denn aus Syrien mitgebracht habe. Das Mädchen versteht die Frage nicht. Er richtet die Frage an Nours Mutter, die ihn verwirrt anblickt. Der Übersetzer wiederholt die Frage. Es scheint, als würden Mutter und Tochter den Sinn der Frage nicht verstehen. „Nichts“, sagt plötzlich das Mädchen und fängt an zu weinen, „Nichts habe ich mitgebracht. Unser Haus ist kaputt, meine beiden Brüder sind tot. Was sollte ich mitbringen?“ Die Mutter beginnt zu weinen, auch der Übersetzter und einige der Umstehenden weinen. Manche fassen sich an und nehmen einander in die Arme.
Da wird klar, die kleine Nour hat etwas mitgebracht. Ihre Geschichte. Ihre Würde. Ihre Hoffnungen.
Und das war nicht normal: Viele Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisengebieten suchen einen sicheren Ort. Fast 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Etwa 23.500 von ihnen kamen 2015/2016 in Mecklenburg-Vorpommern an. Etwas 6.000 blieben – auch in Schwerin.
Knapp ein Jahr später wollen sich die Familien der Geflüchteten nun bedanken. Sie möchten Danke sagen für die Aufnahme in unserer Stadt, für die großartige Unterstützung, die sie von so vielen Menschen bekommen haben. Sie bedanken sich u.a. bei dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörden, des Job-Centers, der Wohnungsanbieter und anderer Unternehmen und Einrichtungen in Schwerin, die oft geholfen haben und es immer noch tun und, die dabei auch an ihre Grenzen gekommen sind.
Denn alle Menschen, die zu uns kommen, bringen etwas mit: sich selbst und ihre Geschichte. Das ist auch für die Helferinnen und Helfer nicht immer leicht.
Doch genau dies ist der Punkt: Wir sollten den Angekommenen respektvoll begegnen, als diejenigen, die sie sind. Als Menschen mit einer Geschichte, mit Hoffnungen und Wünschen.
Was also ist zu tun? Die bürokratischen Prozesse eines manchmal lange währenden Asylverfahrens sind individuell kaum beeinflussbar. Weder von den Asylsuchenden noch von ihren oft freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer. Warten macht mürbe. Nichtstun ist ein Energiefresser. Handlungsunfähig zu sein, nimmt dir ein Stück deiner Würde. Beeinflussbar ist allerdings, was in der „Wartezeit“ während des Verfahrens geschieht.
Sinnvolle Beschäftigung und zwar so schnell wie möglich, am besten vom ersten Tag an, ist gefragt. „Erste-Hilfe-Sprachkurse“, Spielgruppen für die Kinder, praktisches Tun in den (Not)Unterkünften und der neuen Nachbarschaft, Sportangebote, Arbeit – auch ehrenamtlich – … vielfältige Begegnungen zwischen „Eingeborenen“ und den neuen Nachbarn organisieren.
Vieles davon ist geschehen in den letzten 12 Monaten. Auch in Schwerin. Ein Dank lässt uns kurz innehalten und Kraft schöpfen für den Weg, der noch vor uns liegt.
Am Weltfriedenstag, Donnerstag, 01.09.2016
- um 13:00 Uhr im Job-Center Schwerin
- um 13:15 Uhr im Stadthaus Schwerin
- um 14:00 Uhr am Südufer des Pfaffenteiches