Schwerin – Seelische Krisen richten sich nicht nach Sprechstunden und Öffnungszeiten. Sie treten nicht selten an Sonn- und Feiertagen auf oder in den Abend- und Nachtstunden. Wenn dann niemand zur Stelle ist, der professionell helfen kann, kommen nicht selten Rettungsdienst und Polizei zum Einsatz. Was für Menschen in der Krise oft zu traumatisierenden und für die Helfer zu frustrierenden Erfahrungen führt.
Schwerinerinnen und Schwerinern in seelischen Problemlagen vor einer solchen Eskalation niederschwellig zu helfen, das ist das Ziel eines psychosozialen Krisennotdienstes, den die Landeshauptstadt Schwerin gerade aufbaut. Es ist der erste derartige Krisennotdienst in Mecklenburg-Vorpommern, den eine Kommune anbieten will. Die Stadt setzt mit diesem Modell einen Beschluss der Stadtvertretung um.
Der Dienst ist anspruchsvoll: Im Unterschied zur Telefonseelsorge geht es hier nicht ausschließlich um stabilisierende anonyme Beratung und Seelsorge, sondern auch um konkrete Krisenhilfe und professionelle Krisenintervention. Die kann im Bedarfsfall die telefonische Beratung deutlich übersteigen und bis zum Hausbesuch reichen.
Kernelemente der Krisenintervention sind neben dem Zuhören auch die Einschätzung des Gefährdungs- und Persönlichkeitszustandes des Betroffenen, mit dem möglichst weitere Hilfsschritte und eine gute Weiterversorgung vereinbart werden sollen. „Es geht um ambulante Hilfen und darum, die unnötige stationäre Klinikunterbringung oder den Einsatz von Polizei und Rettungsdienst zu vermeiden“, beschreibt Amtsärztin Renate Kubbutat den Ansatz des Schweriner Krisennotdienstes.
Abgesichert werden soll der Dienst wochentags ab 18 Uhr bis 22 Uhr, an Wochenend- und Feiertagen von 10 Uhr bis 22 Uhr. Die Stadt stellt dafür gut erreichbare Räume in zentraler Lage mit Telefon, PC-Ausstattung und einen Dienst-PKW bereit und zahlt eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 10 € pro Stunde. Selbstverständlich sind die ehrenamtlich Tätigen rechtlich und versicherungstechnisch abgesichert, werden fachlich weitergebildet und per Supervision begleitet. Sie versehen ihren Dienst auch nicht als Einzelkämpfer, sondern werden zu zweit eingesetzt, um sich besser absichern und fachlich absprechen zu können.
„Jetzt müssen wir mindestens 40 fachkompetente Ehrenamtliche aus psychosozialen, sozialpädagogischen, medizinischen, pflegerischen Arbeitsfeldern finden, damit der Notdienst personell abgesichert werden und starten kann“, sagt Cornelia Gomollok vom Fachdienst Gesundheit der Landeshauptstadt. Sie hat in den vergangenen Wochen und Monaten bereits viele Gespräche zur Projektvorstellung und Ehrenamtsgewinnung geführt und weiß „Diesen ehrenamtlichen Fachkräftepool in einer Stadt von der Größe Schwerins aufzubauen ist sehr anspruchsvoll. Die Fachkräfte in diesem Bereich sind sehr gefragt, die Belastung im eigentlichen Job oft schon hoch.“
Parallel zur Personalsuche werden derzeit auch fachliche Arbeitsgrundlagen für den Krisennotdienst erarbeitet. Dazu zählen Handlungsleitlinien und Mindeststandards für die Krisenintervention und eine Netzwerk-Karte der sozialen und medizinischen Angebote Schwerins für die Weiterversorgung der Menschen in Notlagen. Wer sich für die Arbeit beim Krisennotdienst der Landeshauptstadt interessiert, der kann sich bei Cornelia Gomollok unverbindlich zu einem Informationsgespräch melden. Sie ist telefonisch beim Sozialpsychiatrischen Dienst unter 545-2823 oder per E-Mail unter cgomollok@schwerin.de zu erreichen.