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Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung soll reduziert werden

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Schwerin – Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung soll in Deutschland deutlich reduziert werden. Der Bundestag hat am Donnerstagabend eine entsprechende Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) beschlossen. Mit der von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner eingebrachten Gesetzesänderung erhalten die zuständigen Überwachungsbehörden der Länder mehr Kontrollbefugnisse als bisher. Der Austausch zwischen den Behörden wird verbessert, die Länder können sich künftig einer bundesweiten Datenbank bedienen. So wird Transparenz über den Einsatz von Antibiotika in Mastbetrieben geschaffen. Die Behandlungshäufigkeit von Antibiotika in jedem einzelnen Betrieb wird künftig bundesweit erfasst und bewertet, bei Überschreitung des Durchschnittes folgen Prüf- und Handlungsverpflichtungen. Diese Maßnahmen werden zu einer deutlichen Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes führen, sei es durch Maßnahmen des Tierhalters und des Tierarztes im Kontext des Arzneimitteleinsatzes, oder durch Maßnahmen des Tiermanagements und der Tierhaltung, die einen Antibiotikaeinsatz vermeiden.

„Es muss alles getan werden, um den Antibiotika-Einsatz insgesamt zu reduzieren“, betonte Bundesministerin Aigner am Donnerstag in Berlin. „Die Verschärfung des Arzneimittelgesetzes setzt an den entscheidenden Stellen an. Ich bin sicher: Diese Reform wird ihr Ziel nicht verfehlen. Voraussetzung ist, dass die Länder mitziehen und die neuen Vorschriften dann auch umfassend kontrollieren." Aigner betonte, bei der AMG-Novelle handele es sich um eine der tiefgreifendsten und ehrgeizigsten Reformen der Tierarzneimittel-Gesetzgebung. „Wenn die für die Kontrollen zuständigen Länder und der Bund an einem Strang ziehen, können wir den Einsatz von Antibiotika in Deutschland innerhalb weniger Jahre deutlich senken.“ Jeder Einsatz von Antibiotika, ob in der Human- oder der Tiermedizin, fördere automatisch auch die Entstehung und Verbreitung resistenter Keime. „Antibiotika-Resistenzen sind eine Gefahr für die Gesundheit. Deshalb müssen wir dem übermäßigen Einsatz von Tierarzneimitteln Einhalt zu gebieten. Das geht nur, wenn wir das Problem an der Wurzel packen – und zwar vor Ort in jenen Betrieben, in denen es nötig ist.“

Bei der Novelle des AMG wurden vielfältige Anregungen und Hinweise der Bundesländer aufgenommen. Das Gesetz kann nach Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten.

Kernstück der Gesetzesnovelle ist ein Antibiotika-Minimierungskonzept: Es ermöglicht den Überwachungsbehörden, die Behandlungshäufigkeit mit Antibiotika in einem Betrieb zu beurteilen und mit anderen Betrieben zu vergleichen. Auf dieser Grundlage kann der Tierhalter zu erforderlichen Prüfungen und Maßnahmen verpflichtet werden – auch im Zusammenwirken mit dem Tierarzt- und der Überwachungsbehörde. Ziel ist es, den Einsatz von Antibiotika auf das wirklich therapeutische Mindestmaß zu reduzieren.

Die Länder erhalten die Möglichkeit, eine bundeseinheitliche amtliche Datenbank zur Erfassung und Verarbeitung der Daten zur Therapiehäufigkeit aufzubauen: Die zuständigen Überwachungsbehörden können damit Einsicht nehmen in die Daten zur Therapiehäufigkeit bei landwirtschaftlichen Nutztieren in einzelnen Betrieben, und diese mit den Kennzahlen anderer Betriebe vergleichen. So wird die Risikoorientierung bei der Überwachung verbessert. Der Gesetzentwurf ermöglicht es den zuständigen Behörden der Länder somit, ihren Überwachungsaufgaben noch besser nachzukommen. Auch bisher schon war es allerdings den Behörden durch bestehende Dokumentationspflichten möglich, bei Tierärzten wie Landwirten den Bezug, die Anwendung sowie die Abgabe von Antibiotika abzufragen und zu Kontrollzwecken zu nutzen. Mit der AMG-Novelle werden diese Möglichkeiten nun erheblich ausgeweitet und beschleunigt: Tierärzte müssen den Überwachungsbehörden auf Anforderung innerhalb kürzester Fristen Daten über Anwendung und Abgabe von Antibiotika übermitteln. Zudem wird der Informationsaustausch zwischen den Behörden grundlegend verbessert.

Um die Wirksamkeit von bestimmten Antibiotika, die für die Humanmedizin von besonderer Bedeutung sind, nicht zu gefährden, werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, bei diesen Stoffen eine Anwendung in enger Ausrichtung an der Zulassung vorschreiben zu können. Wird ein Antibiotikum in einem Betrieb ohne ausreichenden Behandlungserfolg eingesetzt, muss künftig vor dem Wechsel auf einen anderen Wirkstoff zuerst der Erreger und dessen Empfindlichkeit gegen den Wirkstoff eindeutig durch eine Laboruntersuchung bestimmt werden (sog. Antibiogramm).

"Ich will nochmals betonen, dass der Einsatz von Antibiotika zur Wachstumsförderung schon heute verboten ist, ebenso wie der präventive Einsatz – und zwar bereits seit Jahren. In Deutschland gelten bereits jetzt strenge Gesetze und Vorschriften für die Anwendung von Antibiotika in der Tierhaltung. Verstöße sind nicht tolerabel und müssen von den Behörden vor Ort konsequent geahndet werden“, sagte Aigner. Mit der 16. AMG-Novelle sorge die Bundesregierung dafür, dass die zuständigen Landesbehörden ihre Überwachungsaufgaben in Zukunft noch wirksamer und schneller erfüllen können. Aigner „Der Bund setzt hierfür den Rechtsrahmen – die Länder sind vor Ort für die Überwachung der Betriebe zuständig." Die vereinzelt vorgebrachte Forderung nach starren Zielvorgaben bringe nichts: „Es gibt niedrig dosierte Antibiotika mit sehr hohem Wirkungsgrad – wer nur auf die Menge blickt und nicht auf die Präparate, verkennt das Problem. Wir packen deshalb an der Wurzel an.“

Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:

• Sowohl die Behörde als auch der Tierhalter hat künftig die Möglichkeit, die 
  Therapiehäufigkeit in einem Betrieb gegenüber bundesweit erhobenen Daten zur
  Therapiehäufigkeit zu vergleichen. Durch den Vergleich mit bundesweiten Kennzahlen
  wird klar erkennbar werden, wie dringlich eine Verminderung des Antibiotika-Einsatzes
  im einzelnen Betrieb ist.
• Die zuständige Behörde erhält eine Reihe von Befugnissen für den Fall, dass ein
  Betrieb über bundesweiten Kennzahlen liegt und aus eigener Initiative keine wirksame
  Minimierung betreibt. So kann die Behörde vor Ort konkrete Maßnahmen zur
  Verringerung der Anwendung von Antibiotika anordnen, wie etwa detaillierte Vorgaben
  zur Haltung der Tiere machen.
• Es wird die Grundlage dafür geschaffen, die der Behörde zu meldenden Daten über die
  Therapiehäufigkeit in einer einheitlichen behördlichen Datenbank zentral zu erfassen
  und zu bearbeiten.
• Es wird eine Kontrollverpflichtung für Tierhalter, die bestimmte Lebensmittel liefernde
  Tiere gewerblich halten, geschaffen. Sie müssen – im Zusammenwirken mit ihrem
  Tierarzt – die Therapiehäufigkeit überprüfen und, wenn diese höher liegt als die
  bundesweit ermittelte Kennzahl für den Betriebstyp, den Einsatz minimieren. Darüber
  hinaus können sie verpflichtet werden, Maßnahmen zur Verbesserung der Hygiene, der
  Gesundheitsvorsorge oder der Haltungsbedingungen zu ergreifen, wenn sich dies
  positiv auf den Antibiotikaeinsatz auswirkt.
• Tierärzte und Tierhalter werden verpflichtet, auf Ersuchen der Überwachungsbehörden
  der Bundesländer Daten zur Abgabe und Anwendung von Antibiotika zusammengefasst
  zur Verfügung zu stellen. Damit werden Kontrollen für die Überwachung vereinfacht und
  beschleunigt
• Für Antibiotika, die auch in der Humanmedizin besonders bedeutend sind, werden die
  rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, die zulassungskonforme Anwendung
  verbindlicher zu gestalten..
• Es wird eine Ermächtigung geschaffen, um z.B. beim Wechsel eines Antibiotikums und
  bei einer eventuell erforderlichen Umwidmung die Erstellung eines sogenannten
  "Antibiogramms", also einer Laboruntersuchung über die Wirksamkeit eines
  Antibiotikums, verpflichtend vorzuschreiben.
• Eine weitere Ermächtigung dient dazu vorzuschreiben, dass die mit der Zulassung
  bestimmter Antibiotika in der Packungsbeilage festgelegten Anwendungsbestimmungen
  für den Tierarzt verbindlich zu machen. Dies ist z.B. bei oral anzuwendenden Antibiotika
  wichtig.

Der Informationsaustausch zwischen den Behörden wird deutlich verbessert: Behörden, die Betriebe zum Beispiel im Bereich Tierschutz und Lebensmittelhygiene kontrollieren, werden auf Ersuchen verpflichtet, Daten und Erkenntnisse, die auf einen Verstoß gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften hindeuten, an die für Tierarzneimittelüberwachung zuständigen Stellen weiterzuleiten.

Hintergrundinformationen

Antibiotika sind das wichtigste Instrument zur Behandlung von Infektionskrankheiten. Jedoch nehmen auch in Deutschland die Fälle von Antibiotika-Resistenzen zu. Dadurch können Medikamente bei erkrankten Menschen oder erkrankten Tieren ihre Wirkung verlieren. Da jeder Einsatz von Antibiotika letztlich die Resistenz fördern kann, muss sichergestellt sein, dass Antibiotika gerade bei Tieren, von denen Lebensmittel gewonnen werden, nur dann eingesetzt werden, wenn sie unbedingt erforderlich sind. Gesetzliche Vorgaben, umfassende Informationen, intensive Forschung sowie eine risikoorientierte Überwachung sind die tragenden Säulen der Strategie gegen überflüssigen oder unsachgemäßen Antibiotika-Einsatz in der Landwirtschaft sowie gegen Antibiotika-Resistenzen. Alle Maßnahmen dienen dabei dem vorsorgenden Gesundheitsschutz, der zugleich vorbeugender Verbraucherschutz ist.

Das Antibiotika-Minimierungskonzept des BMELV berücksichtigt
– die Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen,
– die Verschärfung der Regelungen im Tierarzneimittelrecht und
– die Förderung von Alternativen zum Antibiotikaeinsatz z.B. im Rahmen der Forschung.

Klare rechtliche Vorschriften

Es gibt bereits klare Vorschriften, die den Einsatz von Antibiotika regeln: Nach dem Arzneimittelgesetz dürfen Antibiotika nur zur Behandlung von kranken Tieren eingesetzt werden, keinesfalls zur Wachstumsförderung. Verstöße gegen diese Vorschriften sind strafbar. Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften ist Aufgabe der Länderbehörden. Sie sind dafür zuständig, Tierarztpraxen und Tierhaltungsbetriebe zu kontrollieren.

Einsatz nur, wenn therapeutisch notwendig

Das BMELV tritt seit Jahren dafür ein, dass beim Einsatz von Antibiotika ein strenger fachlicher Maßstab zugrunde gelegt wird. Antibiotika dürfen bei Tieren nur dann eingesetzt werden, wenn dies aus therapeutischen Gründen geboten ist. Daher ist bereits vor zehn Jahren im Arzneimittelgesetz (AMG) eine Beschränkung der Abgabe von systemisch wirksamen Antibiotika (11. AMG-Novelle) und eine Bindung von deren Anwendung an eine vorherige tierärztliche Untersuchung verankert worden. Antibiotika als leistungsfördernde Futtermittelzusatzstoffe verboten.

Bereits seit Januar 2006 gilt EU-weit das Verbot, Antibiotika als leistungsfördernde Futtermittelzusatzstoffe einzusetzen. Seit Jahren sind in Deutschland alle antibiotisch wirksamen Tierarzneimittel zur Anwendung bei Lebensmittel liefernden Tieren verschreibungspflichtig. Bei der Abgabe von Tierarzneimitteln durch den Tierarzt an den Tierhalter sorgen strenge Fristenregelungen dafür, dass ein enger Zusammenhang zwischen Diagnose und Behandlung der Tiere bestehen bleibt.

Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie "DART"

2008 wurde die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie "DART" ins Leben gerufen. Zentrales Ziel der gemeinsamen Strategie des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist die Reduzierung und Verminderung der Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen in Deutschland.

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