Schwerin – Frauen und Männer sind unterschiedlich – auch als Patienten. Diese scheinbar banale Feststellung kann schwerwiegende Konsequenzen haben: zum Beispiel auf die Erkennung und Behandlung von Herzinfarkten.
Frauen werden immer noch älter als Männer, sie sterben seltener an Krebserkrankungen, verursachen weniger Unfälle, rauchen weniger und trinken weniger Alkohol – so die Ergebnisse der jüngsten veröffentlichten Studie des Robert Koch-Instituts. Demnach punkten Frauen außerdem mit größerer sportlicher Aktivität, wenngleich beide Geschlechter in der Summe immer noch zu faul sind. Und auch beim Thema Vorsorge sind die Frauen besser, nehmen sie doch die empfohlenen Früherkennungsuntersuchungen häufiger wahr. Alles fein also bei den Frauen? Leider nein: Denn bei Deutschlands Todesursache Nummer 1, den Herzkreislaufkrankungen, ziehen Frauen irgendwann mit den Männern gleich und überholen diese sogar – nämlich dann, wenn mit den Wechseljahren der Schutz durch die Östrogene wegfällt. "Die logische Konsequenz, Frauen mit einer Hormonersatztherapie weiterhin vor Herzerkrankungen zu schützen, hat bisher in Studien keinen überzeugend positiven Effekt gezeigt", sagt Dr. med. Birgit Hildebrandt, Medizinische Leiterin des HELIOS Prevention Center.
Dessen ungeachtet hält sich hartnäckig der Mythos: Männer sterben an Herzinfarkt, Frauen an Brustkrebs. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes hingegen zeigen: 26 Prozent aller weiblichen Todesfälle im Jahr 2012 gingen auf Herzkreislauferkrankungen zurück; 3,9 Prozent auf Brustkrebs. Viele Frauen nehmen hier also eine falsche Risikobewertung vor. Die klinische Relevanz ist offenkundig: Noch immer erkennen viele Ärzte nicht gleich die Symptome eines Herzinfarktes bei Frauen – und oft bringen auch die Patientinnen die untypischen Anzeichen nicht mit dem lebensbedrohlichen Ereignis in Verbindung. "Heftige Schmerzen im Brustbereich, die in die Arme und den Rücken ausstrahlen, sind das klassisch bekannte Symptom – dies gilt allerdings in der Regel vor allem für Männer", sagt Hildebrandt. Frauen hingegen leiden meist unter Übelkeit und Erbrechen sowie diffuse Schmerzen im Oberbauch. Auch Rückenschmerzen oder Schlafstörungen sind nicht ungewöhnlich. Diese unspezifischen Symptome führen Patientin und Mediziner leicht zu einer Fehleinschätzung und so kann bereits auf dem Weg zum Arzt oder in der Notaufnahme wertvolle Zeit verloren gehen. "Falsche Diagnosen und falsche Therapien sind dann möglicherweise Ursache einer erhöhten Infarktsterblichkeit bei Frauen", so die Fachärztin für Innere Medizin. Das Gegenrezept: Mehr Aufmerksamkeit gegenüber den weiblichen Infarktsymptomen. Und mehr Aufklärung.
Aber auch die Behandlung von Herzerkrankungen ist bei Frauen mit höheren Risiken verbunden. Frauen sind im Durchschnitt älter als Männer, wenn sie wegen eines Herzinfarktes in die Klinik kommen, zudem erfolgen diese Aufnahmen auch noch häufiger notfallmäßig. Insgesamt liegen die Komplikationsraten bei Herzkathetereingriffen und Bypass-Operationen bei den Frauen höher. "Bedingt durch den medizinischen Fortschritt und die verbesserte fachärztliche Versorgung gibt es hier aber einen positiven Trend zu verzeichnen", sagt Birgit Hildebrandt.
Bei all diesen nüchternen Daten, die den kleinen Unterschied darstellen, gerät eine wichtige Gemeinsamkeit für Frauen und Männer häufig in Vergessenheit: In punkto Vorsorge gibt es ein klares Statement der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) bezüglich der Herzkreislaufprävention: Das Risiko für die Entwicklung von Herzkreislauferkrankungen können beide Geschlechter in erheblichem Maße – und zwar um bis zu 80 Prozent – reduzieren, wenn sie einen gesunden Lebensstil pflegen. "Konkret heißt das: regelmäßige moderate körperliche Bewegung mit Kraft- und Ausdauertraining, kein Nikotin- und geringer Alkoholkonsum, gesunde und ausgewogene Ernährung und letztlich das Vermeiden von Übergewicht", rät die Medizinerin.
Nicht zuletzt gilt diese Strategie auch als Prävention vor anderen Volkskrankheiten wie Diabetes Typ II, Bluthochdruck, Darmkrebs und Erkrankungen der Gelenke und Wirbelsäule. Es lohnt sich also, schon frühzeitig einen gesundheitsbewussten Lebensstil zu führen.