Berlin – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat Bund und Länder, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aufgefordert, die Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Qualifizierung zu verbessern. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in aller Munde. Tatsächlich laufen für viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sozialstaatliche Standards aber leer, wenn sie eine Familie gründen und Kinder zu betreuen haben – das muss sich ändern“, betonte das für Hochschule und Forschung verantwortliche GEW-Vorstandsmitglied, Andreas Keller, aus Anlass der Präsentation des neuen GEW-Rechtsratgebers „Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Qualifizierung“ während einer Pressekonferenz in Berlin.
Schwierige Rahmenbedingungen gäbe es insbesondere für befristet beschäftigte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sagte der Hochschulexperte. „Zwar hat das 2007 in Kraft getretene Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine so genannte familienpolitische Komponente, die die Verlängerung von Zeitverträgen mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Kinder betreuen, vorsieht. Dabei handelt es sich jedoch um eine reine Kann-Bestimmung – ob die Arbeitsverträge tatsächlich verlängert werden, entscheidet allein der Arbeitgeber. Wir brauchen daher eine verbindliche Ausgestaltung der familienpolitischen Komponente, die allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Kindern einen Rechtsanspruch auf Verlängerung ihrer Zeitverträge gibt“, erklärte Keller.
Besonders benachteiligt sind nach Angaben der GEW Beschäftigte in Drittmittelprojekten. „Wissenschaftliche Angestellte auf Haushaltsstellen haben zumindest dann ein Recht auf eine Verlängerung ihrer befristeten Arbeitsverträge, wenn sie in Mutterschutz oder Elternzeit gehen – für Drittmittelbeschäftigte gibt es keine vergleichbare Regelung. Es kann sogar passieren, dass eine Mutter im Wochenbett ihren Arbeitsplatz verliert – das ist skandalös“, stellte Keller fest. Die GEW fordere daher den gleichen Schutz für alle Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, unabhängig davon, ob sie aus dem Haushalt oder mit Drittmitteln finanziert werden. „Voraussetzung dafür ist eine familienfreundliche Haushaltspolitik: Bei Forschungsprojekten muss von vornherein einkalkuliert werden, dass Beschäftigte in Mutterschutz oder Elternzeit gehen könnten.“
Keller betonte, dass von familienfreundlichen Beschäftigungsbedingungen nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie deren Familien profitierten. „Auch Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben ein Interesse daran, dass Doktorarbeiten und Forschungsprojekte nicht vorzeitig abgebrochen, sondern erfolgreich abgeschlossen werden. Die GEW erwartet von Wissenschaftseinrichtungen, dass sie über die gesetzlichen Vorgaben hinaus familienfreundliche Arbeitsbedingungen schaffen“, betonte der GEW-Sprecher. Hierzu gehörten auch flexible Arbeitszeiten, familiengerechte Sitzungstermine und bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Auch den Bedürfnissen Beschäftigter mit pflegebedürftigen Angehörigen müsse Rechnung getragen werden.