Schwerin – Erst seit dem Jahr 1919 dürfen sich die Stadtoberhäupter Schwerins auch Oberbürgermeister nennen – vorher wechselten sich seit dem Mittelalter jeweils die beiden dienstältesten Ratsherren im Jahresrhythmus als Bürgermeister ab. Nach dieser Zeitrechnung wäre Dr. Rico Badenschier seit 1919 der 20. Oberbürgermeister Schwerins. Er wird am 1. November 2016 die Amtsgeschäfte übernehmen. Der 38-Jährige Sozialdemokrat wurde in der Stichwahl am 18. September 2016 für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählt und folgt auf Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow.
Der 1978 in Chemnitz geborene Radiologe hat in Marburg und Kiel Medizin studiert und lebt seit 2008 in der Landeshauptstadt. Vor seiner Direktwahl zum Stadtoberhaupt war der verheiratete Familienvater als Oberarzt in den Helios-Kliniken Schwerin tätig und als SPD-Stadtvertreter in der Schweriner Kommunalpolitik engagiert.
Seine offizielle Amtseinführung findet am Dienstag, dem 1. November, um 17.30 Uhr in einer kurzen Zeremonie vor der ersten Sitzung des Hauptausschusses statt, die Rico Badenschier anschließend als neuer Oberbürgermeister leiten wird. Stadtpräsident Stephan Nolte und der stellvertretende Oberbürgermeister Andreas Ruhl werden dem neuen Stadtoberhaupt seine Ernennungsurkunde überreichen.
Angestoßen wird danach mit Selters und O-Saft. Schließlich muss im Hauptausschuss noch gearbeitet werden. Dort steht auch eine Personalie auf der Tagesordnung, die das Büro des neuen Oberbürgermeisters betrifft: Silke-Maria Preßentin, die im Schweriner Sozialministerium als persönliche Referentin von Ministerin Manuela Schwesig, als Pressereferentin und zuletzt als Referentin für Bundesrats- und Europaangelegenheiten tätig war, wird ab 1. Dezember die Leitung des OB-Büros übernehmen, wenn der Hauptausschuss zustimmt. Michael Helms, langjähriger Koordinator in der städtischen Wahlbehörde, tritt bereits am 1. November als neuer Dezernatskoordinator des Oberbürgermeisters seinen Dienst an.
So nüchtern wie heute fanden Amtseinführungen von Stadtoberhäuptern nicht zu allen Zeiten statt. Tradition war es früher in der Residenzstadt, dass Bürgermeister „ins Amt gehoben“ wurden, berichtet Stadtarchivar Bernd Kasten. Die beiden jeweils dienstältesten Ratsherren wechselten sich jährlich als Bürgermeister ab. Der Amtierende nahm zur Amtsübertragung auf dem größten und schönsten Ratsstuhl im Rathaus Platz – und war dadurch in das Amt eingewiesen. Außerdem richteten die Ratsherren zur Amtsübertragung des Bürgermeisters jeweils ein besonders üppiges Festessen aus, zu dem die halbe Stadt eingeladen war. Von dieser Tradition ist allerdings nur die Überlieferung geblieben: Bei Rathausbränden sind sämtliche Ratsstühle ein Opfer der Flammen geworden. Bürgermeister wird heute auch nicht mehr der Ratsherr mit dem besten Sitzfleisch, sondern ein Kandidat, der direkt von den Schwerinerinnen und Schwerinern gewählt wird.
Eine andere Zeremonie – etwa die Übergabe einer Amtskette von Bürgermeister zu Bürgermeister – wurde in Schwerin nie etabliert, da die Residenz der Mecklenburgischen Herzöge politisch nie sehr selbstständig war. So ist eine Amtskette in Schwerin erstmals zu DDR-Zeiten aktenkundig geworden, als der damalige Oberbürgermeister Dr. Helmut Oder 1985 ein solchesAmtsinsignium anlässlich der 825-Jahrfeier trug. Schon zwei Jahre später, beim Besuch Erich Honeckers anlässlich des Bauernkongresses, zeigen Fotos den Oberbürgermeister mit einer neuen Amtskette. Die mit dem Schweriner Reiter als Keramikmedaillon verzierte Halskette aus Stahlblech wird nicht mehr für protokollarische Zwecke genutzt. Zuletzt hatte Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow sie beim Festumzug zur 850-Jahrfeier Schwerins 2010 getragen.