Schwerin – Veranstalter, Touristiker und Politiker des Landes debattieren über die aktuelle Barrierefreiheit von Veranstaltungen und deren Nachhaltigkeit.
Wie können wir die Barrierefreiheit von Veranstaltungen in unserem Bundesland vorantreiben und festigen? Diese Frage war das Thema der Fachveranstaltung des Projektes „Barrierearme Großereignisse in Mecklenburg-Vorpommern“ – Kultur ohne Barrieren am vergangenen Mittwoch in Schwerin. Dazu haben die beiden Projektmitarbeiter Katharina Rupnow und Kevin Weltzien in die Aula der Volkshochschule eingeladen. Neben zahlreichen Veranstaltern und Touristikern, folgten auch einige Politiker der Einladung. So auch die Bundestagsabgeordnete Kerstin Kassner (DIE Linke – Sprecherin für Tourismuspolitik), die in einer Diskussionsrunde Rede und Antwort stand. Bevor aber diskutiert werden konnte, referierten die Projektmitarbeiter selbst über ihre Arbeit der letzten eineinhalb Jahre. Weiterhin gaben die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern und die Festspiele Wismar einen Rückblick auf die Geschehnisse des Sommers 2016 und einen Ausblick auf die Saison 2017. Julia Cramer (Gebärdensprachdolmetscherin) und Annette Rösler (Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern „Reisen für Alle“) stellten in ihren Vorträgen ebenfalls die Relevanz der Barrierefreiheit von Veranstaltungen dar.
„Eine oft gestellte Frage ist, was blinde und gehörlose Menschen bei Theateraufführungen, Konzerten und Co sollen. Die sehen bzw. hören doch eh nichts, heißt es dann“, erklärt Kevin Weltzien. Dass dies durchaus möglich und notwendig ist, zeigte das Projekt in Kooperation mit den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern und den Festspielen Wismar. So wurden unter anderem das „Kleine Fest im großen Park“ und die Theateraufführung „FAUST“ so barrierefrei gestaltet, dass eben blinde und gehörlose Menschen daran teilnehmen konnten und in die Gesellschaft inkludiert wurden. Vertreter beider Kultureinrichtungen sprachen über das positive Feedback von Betroffenen, das man im Anschluss der Veranstaltungen von Besuchern mit und ohne körperliche Beeinträchtigungen erfährt. Aber auch Probleme und Sorgen in Hinblick auf die finanzielle, personelle und zeitliche Komponente wurden thematisiert. „Bei allen positiven Rückmeldungen und Zusprüchen, dürfen wir den hohen personellen, organisatorischen und eben auch monetären Aufwand nicht vergessen“, so Andreas Conrad (Produktionsleiter der Festspiele Wismar). Trotz des hohen Aufwandes findet auch nächstes Jahr am 16. Juli um 17 Uhr in der St.-Georgen-Kirche Wismar wieder die barrierefreie Aufführung vom „FAUST“ statt.
Gebärdensprach- und Schriftdolmetscher, Audiodeskription, der Einsatz der FM-Anlage, „Touch-Touren“, taktile Lagepläne und Programme in Brailleschrift sind die großen Bausteine der barrierefreien Gestaltung. „Wie vielfältig die Möglichkeiten sind, einen barrierefreien Zugang für alle Menschen zu schaffen, war uns anfangs nicht bewusst“, so Bianca Weid (Veranstaltungsleitung Festspiele Mecklenburg-Vorpommern). „Auf die Idee, dass auch blinde und gehörlose Menschen die Vorstellungen beim „Kleinen Fest im großen Park“ erleben können und wollen, kommt man im ersten Moment einfach nicht. Umso schöner finden wir es, dass wir mithilfe dieses Projektes nun so ein umfangreiches Angebot realisieren können.“ Auch beim „Kleinen Fest im großen Park“ im nächsten Jahr, speziell am Samstag, den 13. August, soll es das wiedergeben. So übersetzt u. a. eine Gebärdensprachdolmetscherin eine Auswahl von Aufführungen in Gebärdensprache. Der Vorverkauf beginnt bei beiden Veranstaltern Ende des Jahres. „In diesem Sommer waren die Tickets beider Veranstaltungen so schnell wie noch nie vergriffen. Es wäre schade, wenn Betroffene keine Karten erhalten würden und die Darbietungen nicht genießen können. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Betroffene rechtzeitig vom Angebot erfahren, um ihre Reise zum Spielort zu planen“, so Projektmitarbeiter Kevin Weltzien. Bei beiden Kultureinrichtungen gehören barrierefreie Aspekte nun zum Standardrepertoire und werden in Zukunft weiter ausgebaut.
Genau diese Nachhaltigkeit bildete auch das zentrale Thema einer anschließenden Diskussionsrunde. Bundestagsabgeordnete Kerstin Kassner, Andreas Conrad, Julia Cramer, Ilka Rohr (Tourismusverband Mecklenburg-Schwerin) und Katharina Rupnow stellten sich den Fragen des Moderators Jürgen Seidel. Wie kann die Barrierefreiheit von Veranstaltungen im Bundesland erreicht und erweitert werden?
„Was muss sich im Land und vor allem in den Köpfen der Bevölkerung ändern, damit ein barrierefreier Zugang zu allen Veranstaltungen möglich ist?“
„Die Thematik Behinderung und Barrierefreiheit muss generell in den Köpfen der Menschen ankommen“, eröffnet Bundestagsabgeordnete Frau Kassner die Runde, denn viele wissen nur sehr wenig über Behinderung und die einzelnen Bedürfnisse der Menschen mit Handicap im alltäglichen Leben. „Jeder müsste in Hinblick auf den Abbau von Barrieren mitdenken, nur dann kann es zur Selbstverständlichkeit werden, dass zum Beispiel gehörlose oder blinde Menschen an Veranstaltungen teilnehmen können“, führt sie fort. Mit einer barrierefreien Umwelt ist jedem geholfen, ob nun Eltern mit einem Kinderwagen, Oma und Opa mit Rollator oder bspw. durch größere Schilder, die für jeden gut ersichtlich sind. „Über gute Angebote und Beispiele reden und diese zu veröffentlichen, das ist wichtig“, ergänzt Frau Ilka Rohr.
Letztlich wurde noch einmal betont, dass Veranstalter zur Umsetzung der Barrierefreiheit guten Willen und eine Beständigkeit in der Unterstützung benötigen, um sich zu etablieren und folglich eine Nachhaltigkeit zu erreichen.