Osnabrück – Die Mordanklage gegen Oscar Pistorius leitet den tiefen Fall des einstigen Sportidols ein und ist, in vielerlei Hinsicht, eine Lehrstunde über die Abgründe menschlicher Natur. Wenn Stars stürzen, ist das zunächst ein gefundenes Fressen für Boulevard-Medien. Wohin das führen kann, stellt ein skrupelloser südafrikanischer TV-Sender unter Beweis. Eine Reality-Show mit Pistorius‚ Freundin Reeva Steenkamp nach deren Tod auszustrahlen zeugt von Geschmacklosigkeit. Die Sendung als Gedenken zu verbrämen, macht die Sache nur noch schlimmer.
Das Unfassbare der Tat liegt zudem in der Person Pistorius begründet. Sicher muss, als Prinzip von Strafverfahren, auch in diesem Fall bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung gelten. Doch die Details, die bislang ans Licht gekommen sind, enthüllen zumindest, welcher Horror sich hinter Glanz und Glamour verbergen kann. Es ist diese Mischung aus Schein und Sein, die den Betrachter verstört, zugleich aber eine unerklärliche menschliche Sensationsgier weckt, gespeist aus der Erkenntnis, welche emotionalen Exzesse aus Neid, Hass und Eifersucht möglich sind. Zu hoffen bleibt, dass der Prozess gegen Pistorius nicht eine Gerichtsshow wie einst das Mordverfahren gegen Ex-Football-Star O. J. Simpson wird. Opfer und Hinterbliebene haben Besseres verdient.