- Anzeige -

Mindestlohn-Ausnahmen öffnen Missbrauch Tür und Tor

- Anzeige -

Berlin – Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert scharf, dass die Bundesregierung offenbar bereit ist, dem harten Lobbydruck der Arbeitgeber nachzugeben und weitere gesetzliche Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn vorzusehen. "Mit der Vielzahl von Ausnahmen macht die Koalition aus dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einen löchrigen Flickenteppich, der kaum noch zu kontrollieren sein wird. Die neuen Schlupflöcher sind eine regelrechte Einladung, den gesetzlichen Mindestlohn zu umgehen", sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske am Sonntag. "Die Ausnahmen treffen ausgerechnet die Schwächsten am Arbeitsmarkt – Langzeitarbeitslose, Saisonkräfte, Erntehelfer, Zeitungszusteller und Praktikanten. Damit werden Millionen Beschäftigte weiterhin der Willkür von Hungerlöhnen ausgeliefert."

Es sei aberwitzig, dass ausgerechnet die Zeitungsverleger, die sich Tarifverhandlungen für die Zeitungszustellung verweigert hatten, jetzt auf Betreiben von CDU und CSU mit einem gesetzlichen Abschlag auf den allgemeinen Mindestlohn für ihre Blockadehaltung belohnt würden. Dass Arbeitgeber künftig bei Saisonkräften Unterkunft und Verpflegung mit dem Mindestlohn verrechnen dürften, öffne dem Missbrauch Tür und Tor, weil sich die Angemessenheit der Kosten für Kost und Logis kaum überprüfen lasse. Auch die Verlängerung der zulässigen Beschäftigungsdauer bei geringfügiger Beschäftigung von 50 auf 70 Tage sei ein Schlupfloch für jede Form von Saisonarbeit, nicht nur bei Erntehelfern, sondern auch in Handel, Hotellerie und Gastronomie, und könnte zu einer deutlichen Zunahme dieser Form befristeter Beschäftigung führen. Freiwillige Praktika künftig für drei Monate vom allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn auszunehmen werde weiter zur Ausbeutung von Praktikanten mit abgeschlossener Ausbildung führen.

"Das hat mit dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, den die SPD in ihrer Mitgliederbefragung vor der Regierungsbildung zur Abstimmung gestellt hat, nichts mehr zu tun. Und CDU und CSU machen mit ihrem Kotau vor Sonderwünschen einzelner Branchen-Arbeitgeber aus dem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einen löchrigen Flickenteppich", sagte Bsirske. Wenn jetzt zudem gesetzliche Ausnahmen, insbesondere für die Zeitungszustellung, verankert würden, statt der ursprünglich vorgesehenen ausschließlich tariflichen Übergangsregelungen, verkehre dies das Ziel des "Tarifautonomiestärkungsgesetzes" ins Gegenteil.

Bsirske warnte, eine solche gesetzliche Ausnahme von einem ansonsten allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn sei völlig inakzeptabel und verstoße offenkundig gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes. "Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn hat auch die Aufgabe, die Würde der arbeitenden Menschen zu wahren. Aber Würde ist unteilbar. Die Politik muss begreifen, dass ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eine verpflichtende Lohnuntergrenze ist und nicht ins Belieben von Arbeitgebern gestellt werden darf."

- Anzeige -
- Advertisement -
Die mobile Version verlassen