Berlin – Meist sind es kleine Mädchen, die sich sehnlichst Ohrringe wünschen. Später in der Pubertät gefällt vielen Jugendlichen auch anderer Körperschmuck: Piercings verzieren Nase, Augenbrauen oder Bauchnabel. Doch das Stechen der Löcher für den Schmuck ist mit Risiken verbunden. test.de erklärt, wie Entzündungen und Schmerzen vermieden werden können.
Verschönern oder verstümmeln?
Ein blitzender Stern, ein bunter Stein als Schmuck am Ohr – vielen kleinen Mädchen gefällt das. In einigen Kulturkreisen, etwa in Indien oder im arabischen Raum, werden bereits Babys die Ohrläppchen durchstochen. Bei uns sieht das ein Teil der Eltern kritisch. Ohrlöcher seien „eine nie wieder gutzumachende Verstümmelung“, schreibt etwa eine Mutter in einem Internet-Forum. Was aber sagen Experten dazu?
Ohrlöcher frühestens ab dem Schulalter
Ab wann Kindern Ohrlöcher gestochen werden dürfen, ist nicht gesetzlich geregelt. Auch unter Kinder- und Jugendärzten besteht hierzu keine Einigkeit. „Je jünger das Kind ist, desto zurückhaltender sollten Eltern sein“, rät Dr. Hermann Josef Kahl, Bundespressesprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. „Ohrlöcher sind immerhin richtige Verletzungen, die dem Körper bewusst zugefügt werden.“ Etwa im Schulalter seien die meisten Kinder dazu in der Lage, den Wunsch nach Ohrlöchern selbständig zu äußern und auch mit dem damit verbundenen Schmerz umzugehen.
Steriles Werkzeug ist ein Muss
Der englische Begriff „to pierce“ bedeutet übersetzt durchstechen oder durchbohren. Ob im Nasenflügel, in der Zunge, im Bauchnabel oder sogar im Intimbereich – an vielen Stellen des Körpers lassen sich vor allem junge Leute metallenen Schmuck anbringen. Auch hierfür gibt es keine gesetzliche Altersregelung. Viele Anbieter piercen Jugendliche erst ab Vollendung des 14. Lebensjahrs und nur mit schriftlicher Einwilligung der Eltern oder Erziehungsberechtigten. Die Haut wird dabei mit einer Hohlnadel, einer Kanüle, durchstochen. „Dabei ist auf maximale Hygiene zu achten, auf sterile Nadeln und möglichst auch sterile Piercings“, sagt Professor Hans Behrbohm, Chefarzt der Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Plastische Operationen an der Park-Klinik Weißensee, einem akademischen Lehrkrankenhaus der Charité Berlin. „Man darf nicht vergessen: Bei Piercings handelt sich letztendlich um Implantate im medizinischen Sinne.“
Keine geregelte Ausbildung
Mediziner wie Behrbohm weisen darauf hin, dass die hygienischen Bedingungen und das technisches Niveau in den Piercing-Studios sehr unterschiedlich sind und zum Teil keine optimalen Bedingungen herrschten. Der Beruf des Piercers ist zudem keine geschützte Bezeichnung, eine anerkannte Ausbildung gibt es nicht. Wer ein Piercing-Studio aufmachen möchte, braucht einen Gewerbeschein. Überwacht werden die Läden von den zuständigen Kontrollbehörden, etwa den Gesundheitsämtern.
Frisch gestochene Ohrlöcher und Piercings beobachten
Auch wenn das Loch in Ohrläppchen, Bauchnabel oder Nasenflügel nur klein ist, braucht die Wundheilung Zeit. Bei Kindern sollten Mütter und Väter achtsam bleiben. „Eltern sollten frisch gestochene Ohrlöcher etwa zwei Wochen lang aufmerksam beobachten und täglich kontrollieren, dass die Wunde trocken und sauber ist“, sagt Hermann Josef Kahl. Sobald sich eine Entzündung abzeichne, sei es notwendig, ein Desinfektionsmittel aufzutragen. „Dabei sollten die Ohrringe aber nicht entfernt werden.“ Damit die Löcher nicht gleich wieder zuwachsen, muss der Schmuck vier bis sechs Wochen im Ohr verbleiben. Baden und Haare waschen ist in dieser Zeit aber kein Problem.
Nicht ständig befingern
Auch bei Piercings bleibt gründliche Sauberkeit zunächst weiter oberste Pflicht der Jugendlichen. Auf Sauna- und Schwimmbadbesuche sollte aus hygienischen Gründen in der ersten Zeit verzichtet werden. Ein neues Piercing kann sich ungewohnt anfühlen. Dennoch dürfen Finger und Zunge nicht ständig daran drehen oder spielen: Die Wunde ist empfindlich, sie sollte möglichst frei von Schmutz, Viren und Bakterien bleiben.
Bei Komplikationen immer zum Arzt
„Rötungen, Schwellungen und auch Schmerzen beim Bewegen des Piercings sind Zeichen einer Infektion. Dann sollte die Stichstelle mit einem Desinfektionsmittel gereinigt werden“, rät Professor Hans Behrbohm. Genau wie bei Ohrlöchern sollte der Schmuck dabei in der ersten Zeit jedoch nicht entfernt werden. „Der Stichkanal muss epithelisieren, das heißt, es wächst Haut ein, die den Stichkanal auskleidet.“ Je nach Körperstelle dauere dies seine Zeit – bei einem tiefsitzenden Zungenpiercing beispielsweise etwa drei Wochen. Ein weit oben am Ohr durchstochener Knorpel kann sogar bis zu sechs Monate brauchen, um vollständig abzuheilen. Grundsätzlich gilt bei Ohrlöchern und Piercings immer: Bei Komplikationen, etwa nässende Wunden oder Schwellungen, ist ein Arztbesuch notwendig – lieber früher als zu spät.
Tipps
• Hygiene. Achten Sie bei der Wahl des Piercing-Studios auf unmittelbar sichtbare Anzeichen für Sauberkeit: Auch zum Selbstschutz vor Infektionen sollte der Piercer Einmalhandschuhe und einen Mundschutz tragen. Arbeitsutensilien wie Nadeln müssen steril sein, Einwegmaterial sollte erst kurz vor der Benutzung ausgepackt werden. Vor dem Piercen muss die Haut desinfiziert werden.
• Material. Wählen Sie Ohrstecker und Piercingschmuck aus echtem Gold oder Titan. Preiswerter Modeschmuck kann Nickel enthalten, das besonders häufig Allergien auslöst, sowie Blei, das schon in geringen Mengen giftig ist.
• Sicherheit. Aus Sicherheitsgründen eignen sich für Kinder Ohrstecker besser als Ohrringe. Beim Sport kleben Sie die Stecker am besten mit Pflastern ab.