Schwerin – Im Irrsinn des vollgepackten Saisonalltags hatten wir noch gar keine richtige Gelegenheit, unsere „Neuen“ auch abseits des Volleyballfeldes vorzustellen. Das soll nun endlich geschehen: Im langen SSC-Themeninterview erzählen uns Spielerinnen und Trainer mehr über sich und ihren Blick aufs Leben. Heute: Libera Anna Pogany über Stärken, Schwächen und was man vom Sport fürs Leben lernt.
Anna, was ist deine größte Stärke?
Dass ich Volleyball spielen kann. Wenn man machen kann, was man liebt, kann man richtig gut werden, und ich identifiziere mich voll mit meinem Sport. Er lehrt mich Dinge, die für mich persönlich sehr wichtig sind und die ich immer beibehalten werde. Der Sport lässt sich da auch nicht von meiner Persönlichkeit trennen.
Wie genau macht der Volleyball dich stark?
Zum Beispiel muss man lernen, Vertrauen zu haben. Das ist nicht leicht. Man hat viele Phasen der Unsicherheit, weiß nicht, ob etwas klappt oder ob es nichts wird. Gerade als Libero ist es nicht gerade einfach, einen Job zu kriegen. Man muss immer dranbleiben, arbeitet superhart und es kommt doch mal nicht so, wie man sich das vorstellt. Inzwischen vertraue ich darauf, dass alles, was kommt, seinen Sinn hat. Auch wenn man es in dem Moment nicht so versteht und es superschwer ist, weiterzugehen, kann man später im Rückblick oft sagen, hey, das hatte doch seinen Sinn.
Gibt es ganz praktische Fähigkeiten, die du vom Feld auf dein restliches Leben übertragen kannst?
Man braucht eine gewisse Organisiertheit, eine Ordnung im Kopf, um Dinge nacheinander und zielgerichtet anzugehen, muss antizipieren können, wie jemand spielt, und eine klar strukturierte Taktik verfolgen. Das kann ich ganz gut aufs Leben übertragen, man lernt, alles unter einen Hut zu bekommen im Alltag. Ich denke, es ist wichtig, ganz bewusst zu sehen, welche Kompetenzen der Volleyball mich lehren kann und diese Fähigkeiten anzuwenden, damit sie mir auch dann nutzen, wenn das Sportlerleben vorbei ist. Ich hoffe, dass ich das später kann.
Gerade bei euch Sportlern geht es immer darum, noch besser zu werden. Wie kommst du damit klar, wenn es mal nicht so gut läuft?
An so einen Punkt kommt man häufig. Gerade diese Phasen machen stark, weil man dann am meisten lernt, wie man es anders, besser machen kann. Je öfter man schwierige Situationen durchlebt und schafft, desto besser kann man damit umgehen. Man muss im Kopf soweit kommen, etwas abzuhaken und sich konstruktiv auf ein, zwei sachliche Ziele zu konzentrieren, sonst kommt man in einen negativen Trott. Das klappt mal mehr, mal weniger.
Wenn in Bewerbungsgesprächen nach einer Schwäche gefragt wird, ist eine Klassiker-Antwort „Perfektionismus“, weil das am Ende doch nach einer Stärke klingt. Darf man nicht mehr schwach sein?
Schwächen machen menschlich. Ich finde es authentischer, sie zuzugeben, weil jeder was hat, was er nicht so gut kann. Man kann damit auch zeigen, dass man daran arbeitet und dazulernt. Es ist schade, dass Menschen davor Angst haben, deshalb aus dem System zu fallen, weil Firmen immer den perfekten Mitarbeiter suchen. Da gibt es knallharte Regeln beim Aussieben. Wie du als Mensch bist, dein Auftreten, dein Charakter, kommt da erst mal nicht vor. Aber man ist ja zum Beispiel nicht unbedingt nur dann ein guter Arzt, wenn man im Abi einen 1,0-er Durchschnitt hat, da gehört auch Empathie dazu. Umgekehrt heißt eine Schwäche nicht, dass man deshalb für einen Beruf gar nicht geeignet ist. Aber ich glaube, dass die Welt da offener wird.
Welche Schwäche kannst du selbst leicht zugeben?
Ich bin manchmal ungeduldig. Viele Sachen sind ein Reifeprozess, ein Entwicklungsweg, ich bin aber manchmal die Fünfjährige, die sagt, ich will das aber jetzt! Und je besser man wird, desto kleinere Fortschritte macht man, desto schwerer wird es, noch besser zu werden. Da wird es umso wichtiger, den Fokus zu behalten, auf was will ich mich konzentrieren, und dranzubleiben, von Spiel zu Spiel weiterzumachen. Manchmal muss man aber auch loslassen können, wenn was nicht klappen will. Ohne Druck geht es oft plötzlich von allein.
Kann man Ungeduld andersrum auch als Stärke interpretieren?
Man kann es schon von zwei Seiten betrachten, wie wahrscheinlich alle Eigenschaften. Es bedeutet ja auch, dass ich ehrgeizig bin, dass ich Dinge schaffen will. Auch wenn ich gut gespielt habe, schau ich mir immer an, was noch besser geht.
Welche Schwächen stören dich bei anderen, was kannst du gut tolerieren?
Was ich nicht gut tolerieren kann ist, wenn Menschen sich nicht selbst reflektieren können, also sich zum Beispiel nicht entschuldigen, wenn sie mal aggressiv geworden sind, was ja in Drucksituationen jedem mal passieren kann, dass man überreagiert. Im Grunde kann ich aber viel tolerieren. Das lernt man wahrscheinlich auch im Volleyball, wenn Leute zusammengewürfelt werden, von denen du nicht bestimmen kannst, ob du mit ihnen arbeiten willst oder nicht. Man muss jeden nehmen, wie er ist, weil man es eh nicht ändern kann. Dir geht zu viel Energie verloren, wenn du dich ständig aufregst. Es ist doch besser, positive Energie auszustrahlen.
Anna Pogany (24 Jahre, 1,68 Meter), in Berlin geboren und in München aufgewachsen, hat von beiden Elternseiten ungarische Wurzeln. 2009 stieß die damals 15-Jährige zu den Roten Raben Vilsbiburg, spielte sich dort vom Nachwuchs ins Profiteam und in die Jugend-Nationalmannschaft. 2014 wurde sie mit den Raben Pokalsiegerin und Vizemeisterin. 2015 wechselte Anna zum Köpenicker SC und spielte ab 2017 im schweizerischen Pfeffingen und holte hier ihren zweiten Vizemeister-Titel, bevor sie, nunmehr bei den A-Schmetterlingen, 2018 Stamm-Libera in Schwerin wurde. Aktuell schreibt sie an ihrer Bachelor-Arbeit in Wirtschaftspsychologie zum Thema „Sind Profisportler gute Projektmanager?“