Schwerin – Ihr Spiel ist eher unorthodox, auch mal wild daneben, aber oft spektakulär erfolgreich: SSC-Außenangreiferin McKenzie Adams. Zuletzt ragte sie sowohl im DVV-Pokalfinale (knapp 60 % Angriffseffizienz) als auch im sensationellen Spiel in der Champions League gegen Scandicci (25 Punkte, darunter 4 Aufschlagasse) heraus. In unserer Reihe der langen Themeninterviews hat sie mit uns über Träume, Wirklichkeit und Déjà-vus gesprochen.
McKenzie, bist Du vom Typ her eher ein Träumer oder Realist?
Definitiv ein Träumer. Ich habe ein Tattoo von einem Traumfänger, in dessen Mitte ist ein Kompass und in den Federn des Fängers steht „Folge deinen Träumen“. Für mich heißt das: Fang deine Träume ein und folge ihnen, wo auch immer sie dich hinführen. Ich glaube nicht daran, dass man begrenzt ist in dem, was man tun will, ich glaube daran, dass man alles erreichen kann, wenn man sich reinhängt, selbst die verrücktesten Dinge. Wahrscheinlich ist es nicht sehr realistisch, aber im Prinzip könnte ich sogar versuchen, zu spielen bis ich 40 bin. Insofern gibt es den Realisten in mir möglicherweise überhaupt nicht.
Unter Traum verstehst Du also nichts, was nur so im Kopf rumschwirrt?
Nein. Ich würde es vielleicht gar nicht Träume nennen, weil das so unerreichbar klingt. Für mich sind es eher Visionen, Ideen, die ich verwirklichen kann. Ich habe davon geträumt, Volleyballprofi zu werden, im Ausland zu spielen. Das habe ich geschafft. Es ist aber noch nicht das Ende meiner Träume. Der größte ist, mal bei einer Top-Mannschaft in der Türkei oder in Italien zu spielen. Volleyball ist mein Leben, also drehen sich auch meine Träume um den Volleyball.
“Dreams are my reality” – würdest Du das so unterschreiben?
Ja, im Grunde ist es das. Ich habe meine Träume verwirklicht, mache den Sport, den ich liebe, darf verschiedene Länder erleben. Also lebe ich tatsächlich einen Traum. Das heißt nicht, dass ich den Bezug zur Realität verloren habe. Ich schwebe nicht irgendwo da oben, ich bin schon hier präsent. Meine Realität sieht aber sehr viel anders aus als die anderer Leute.
Ist diese Einstellung daraus gewachsen, dass in Deiner Heimat das Konzept des American dream so groß ist, laut dem jeder alles erreichen kann, wenn er es nur will?
Nein, das hat nichts mit mir zu tun. Es geht nicht um den American dream, sondern um meine persönlichen Träume. Meine Überzeugung, dass ich alles erreichen kann was ich will, wenn ich hart dafür arbeite, kommt aus meiner Familie, meinen größten Unterstützern. Meine Eltern haben mich immer sehr ermutigt, angespornt und mir geholfen. Ich weiß, dass es immer Leute gibt, die mir beistehen, auch wenn ich mal scheitere.
Wenn jedermanns Realität anders aussieht und die Welt voller fake news und alternativer Fakten steckt – kann man sich da überhaupt auf so etwas wie eine Wirklichkeit verlassen?
Natürlich. Man muss sich auf Menschen verlassen. Es wird immer fake news geben und Leute, die eine andere Wahrheit haben als man selbst. Wir müssen herausfinden, wer für uns da ist und wer gegen uns ist. Das ist für jeden von uns ein schwieriger Kampf.
Brauchen wir eine feste Verankerung in unserer Realität, im eigenen Leben?
Unbedingt. Wenn man mit sich selbst nicht zufrieden ist, wird man immer auf das Leben anderer Leute schauen. Wenn man dann auf Facebook oder Instagram immer das beste Leben der anderen sieht, fragt man sich, was man selbst falsch gemacht hat. Und die anderen Leute machen genau das gleiche. Wir verfangen uns in diesem Spiel, wer glücklicher ist. Die sozialen Medien können da sehr gefährlich sein. Ich bin dankbar, dass ich selbstbewusst genug bin, damit umzugehen.
Gab es Momente in Deinem Leben, die so fantastisch waren, dass Du hättest denken können, Du träumst?
Da gab es einige. Zum Beispiel als ich auf dem College erfolgreich gespielt habe und das erste Mal dachte, wow, mein Traum wird wahr, ich kann das schaffen. Oder später, als ich nach einer Auszeit vom Volleyball von Aachen verpflichtet wurde. Das war wirklich ein großer Moment.
Und hattest Du auf der anderen Seite mal Träume, jetzt wirklich im Schlaf, die sich absolut real anfühlten?
Ständig. Ich habe mal gelesen, dass ein Déjà-vu ist, wenn man etwas, was man mal geträumt hat, dann wirklich erlebt, und dass das bedeutet, dass man genau an dem Punkt ist, an dem man sein sollte. Es gibt Phasen, da hat man das lange nicht. Vor einem Jahr hatte ich keine Ahnung, was passieren wird. Aber in jüngster Zeit habe ich ganz oft Déjà-vus. Deshalb glaube ich daran, dass jeder Schritt, den ich gemacht habe, auch die Umwege, mich schlussendlich hierher gebracht haben, wo ich jetzt bin.
Hast Du auch schon Erfahrungen mit virtueller Realität gemacht?
Noch nicht. Das Konzept ist cool, könnte aber auch ein Weckruf sein bei allem, was jetzt schon passiert, dass wir ständig an unsere Smartphones und Pads gebunden sind, auch die Kinder. Virtual Reality könnte da schon ein großes Ding werden, aber ich denke, es wird viel Zeit vom echten Leben, der Wirklichkeit stehlen. Das fände ich traurig.
Die Texanerin McKenzie Adams (27 Jahre, 1,92 Meter) spielte sowohl Basketball als auch Volleyball an der Universität von Virginia und der Universität von Texas at San Antonio, während sie in einem multidisziplinärem Studiengang Kinesiologie, Soziologie und Pädagogik studierte. Anschließend ging sie zu Indias Mayagüez in Puerto Rico (Vizemeister), 2016 nach Aachen (Kapitänin und Topscorerin), 2018/19 lässt die Außenangreiferin das Punktekonto des SSC wachsen.