Hamburg (ots) – Husten, Schnupfen, Heiserkeit – viele Menschen leiden derzeit unter einer heftigen Erkältung. Doch wer damit in die Apotheke geht, wird oft schlecht beraten und bekommt viel zu viele Medikamente verkauft. Das haben Recherchen des NDR Verbraucher- und Wirtschaftsmagazins "Markt" im NDR Fernsehen ergeben. Mediziner und Pharmakologen halten dieses Ergebnis für erschreckend.
Nasentropfen, Paracetamol, Eukalyptusölkapseln, Hustensaft, Acetylcystein zum Schleimlösen, Salbe zum Einreiben und Inhalieren und ein Vitaminkomplexpräparat – Medikamente für insgesamt rund 50 Euro verkaufte eine Apotheke einem einzigen Kunden mit Erkältungssymptomen. Zehn Apotheken hat der NDR stichprobenartig getestet. Rund 30 Euro haben die Apotheken im Durchschnitt für Erkältungsmedikamente kassiert. "Alles auf einmal bei einem Menschen, dafür gibt es ein Wort: Polypragmasie. Und da wird es kritisch mit den Interaktionen und Wechselwirkungen der einzelnen Medikamente", kritisiert Prof. Martin Scherer vom Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Ein Großteil des Geldes könne man getrost sparen.
Apotheker sind gesetzlich verpflichtet zu beraten. Seit dem 1. Juni 2012 ist eine ausführliche Kundenberatung sogar laut Apothekenbetriebsordnung Pflicht. Doch nur in einer Apotheke wurde überhaupt nachgefragt, unter welchen Erkältungssymptomen der Patient tatsächlich leide und welche Medikamente er sonst noch nehme. "Da geht es nur ums Verkaufen und nicht um eine qualifizierte Beratung", empört sich der Pharmakologe Prof. Roland Seifert, Medizinische Hochschule Hannover. "Es scheint sich nichts verbessert zu haben." Noch vor vier Monaten hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) dem NDR zugesichert, dass man daran arbeite, das Bewusstsein der Apotheken zu stärken, damit so etwas nicht mehr vorkomme. Zu der aktuellen Stichprobe aber wollte der ABDA kurzfristig keine Stellungnahme abgeben.